Gefahrliches Vermachtnis
Gründen das Falsche zu tun.“
Dawn war gekommen, um sich beruhigen zu lassen, stattdessen aber wuchs die Panik in ihr. Hatte sie heute Nacht einen Fehler gemacht? Hatte sie die falsche Entscheidung aus einem scheinbar richtigen Grund getroffen?
Aurore öffnete die Augen. Dawn beobachtete, wie sie blasser wurde und sich bemühte, sich aufzurichten. Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. Sie packte Dawns Arm. „Da stimmt etwas nicht.“
„ Grandmère, bist du krank?“ Dawn berührte ihre Wange. „Willst du, dass ich jemanden anrufe?“
„Hugh …“
Dawns Blick wurde eiskalt. „Hugh? Grandmère, geht es dir gut? Onkel Hugh ist nicht hier. Nur ich. Ich bin die Einzige, die hier ist.“
Aurore blickte ihr in die Augen. Dawn hatte noch nie so viel Schmerz gesehen. Und dann begann ihre Großmutter zu weinen.
Ben sah auf die Uhr. Dawn kam nicht. Er hatte zu Hause bei ihren Eltern angerufen. Aber dort hatte man ihm nur gesagt, dass sie nicht ans Telefon kommen konnte.
Er wusste nicht, ob sie sich entschieden hatte, nicht nach Bonne Chance zu fahren, und er dachte darüber nach, ob er sie möglicherweise vergrault hatte. In der Woche seit seinem Zusammenstoß mit Largo Haines hatte er nicht viel Zeit gehabt, sich Gedanken um sie zu machen. Und wenn er an sie dachte, tauchte das Bild von der zertretenen Gardenie vor seinen Augen auf. Und von der Frau, die ihren Eltern am Mahagonitisch gegenübergesessen und versucht hatte, Small Talk zu machen.
Ben liebte Dawn Gerritsen. Aus ganzem Herzen. Er hatte nicht erwartet, dass er je einer Frau begegnen würde, die so sehr ein Teil von ihm war. Sogar ihre Karrierepläne passtenzusammen. Seine Worte und ihre Bilder. Er hatte zu glauben begonnen, dass sie vielleicht eine gemeinsame Zukunft haben könnten, dass sich ihre unglaublich starke sexuelle Bindung nicht eines Tages in Luft auflösen, sondern sich als stabil für zwei Leben erweisen würde.
Dann hatte er Dawn mit ihren Eltern gesehen und die Mächte, die versuchten, sie zu zerstören. Es waren dieselben Mächte, die ihn nach der Begegnung mit Largo Haines verprügelt hatten, bis er seine Wut, seinen Schmerz und seine Angst auf den Highway 39 gekotzt hatte.
Er hatte keine Ahnung, was an diesem Abend passieren würde. Die Leute, die an der Versammlung teilnahmen, würden am Ende vielleicht Perez’ Lager unten in Fort Saint Phillip einweihen. Ben wusste, dass Pater Hugh mit Ärger rechnete. Er hatte Ben gesagt, dass er nicht mitkommen müsse, weil es noch Millionen anderer Kämpfe zu bestehen gab und dieser nicht zwangsläufig dazugehören musste. Doch Ben wollte unbedingt dabei sein.
Er konnte nicht mehr länger auf Dawn warten. Pater Hugh wartete in der Kirche auf ihn. Ben sprang von der Veranda und ging zum Parkplatz. Er fühlte sich immer ein wenig unentspannt, wenn er Unsere Liebe Frau vom Guten Rat betrat. Er war auf einer Baptisteninsel inmitten von Katholiken aufgewachsen, und es war kein einziger Tag vergangen, ohne dass er einhundert Gründe genannt bekommen hätte, weshalb ihre Nachbarn zur Hölle fahren würden, während auf ihn und seine Eltern der Himmel wartete.
Er war dem Dünkel seiner Eltern schon seit Jahren entwachsen und doch wirkte die katholische Kirche mit ihren vielen Statuen und den Kruzifixen mit dem leidenden Jesus immer noch fremd und heidnisch auf ihn. Er respektierte Pater Hugh, aber er selbst hatte Gott in dieser Kirche noch nie gespürt.
In dieser Nacht jedoch war das anders. Kerzen erleuchteten den Innenraum und ein ewiges Licht brannte hell. BensAugen gewöhnten sich nur langsam an das Licht. Er roch geschmolzenes Bienenwachs und den immer präsenten Weihrauch. Andächtige Stille erfüllte den Raum. Seine Handflächen wurden feucht und aus ihm unbekannten Gründen war ihm zum Heulen zumute.
Er ging durch den Mittelgang und suchte nach Pater Hugh, der im Schein des ewigen Lichts vor dem Altar kniete. Er hatte den Kopf gesenkt. Ben blieb stehen. Die Versammlung mochte beginnen, wann immer es auch sei, doch Ben wollte Pater Hughs Andacht nicht unterbrechen.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, winkte Pater Hugh Ben zu sich, nachdem er sich bekreuzigt hatte. Ben war noch nie vorne am Altar gewesen. Er kam sich wie ein Eindringling vor und zögerte einen Augenblick, bevor er mit wackligen Beinen bis zu den Stufen ging. Er brachte es nicht über sich, an diesem Altar, der ihm nach wie vor fremd war, neben Pater Hugh niederzuknien. Stattdessen kniete er sich nur auf die Stufen
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