Gefahrliches Vermachtnis
„Ich erzähle euch nur, was ich weiß.“
„Du erzählst mir, was Phillip Benedict dir erzählt hat.“
„Das ist nur ein Teil davon. Ich habe Briefe gelesen, zu denen Phillips Geschichte passt.“
„ Das glaubst du?“, fragte Ferris. „Bist du so naiv?“
„ Grandmère hat ihm die Geschichte diktiert, und Phillip sagt, dass Spencer und Pelichere alles bestätigen können. Frag sie.“ Dawn wich nicht zurück, als ihr Vater auf sie zukam. Dabei fühlte sie sich genauso eingeschüchtert wie als Kind, wenn Ferris ausnahmsweise einmal wütend auf sie gewesen war.
„Ich hab dir gleich gesagt, dass Nicky Valentine eine Lügnerin ist! Offenbar hat ihr Sohn diese Eigenschaft von ihr geerbt. Weißt du nicht, dass sie jede Gelegenheit nutzen wird, um einen Skandal zu provozieren?“
Dawn begann, sich über ihn zu ärgern. „Jetzt hör aber auf, Daddy! Nicky möchte genauso wenig mit dir verwandt sein wie du mit ihr. Ihr Ruf leidet auch darunter.“
„Ich glaube, ihr beide habt jetzt genug gesagt“, warf Cappy ein. „Dawn, Pelichere hat heute Morgen arme Ritter gebacken. Warum gehst du nicht rein und isst, bevor Spencer uns wieder alle zu sich bittet?“
„Wann werden wir es als Familie endlich einmal schaffen, eine Unterhaltung ohne Schiedsrichter zu führen?“ Dawn entdeckte einen neuen Gesichtsausdruck an ihrer Mutter – vielleicht Verständnis und möglicherweise sogar Trauer. Doch bevor sie ihn richtig deuten und eine Enttäuschung erleben konnte, wandte sie sich ab und ließ sie in der Auffahrt stehen.
„Es ist eine Lüge!“, sagte Ferris, als Dawn weg war. „Eine perfide Lüge. Ich werde nicht zulassen, dass der Name meiner Mutter so in den Schmutz gezogen wird.“
„Der Name deiner Mutter?“ Cappy lachte freudlos. „Hier ist niemand außer dir und mir, Ferris. Und wir beide wissen ganz genau, um wessen Namen du dich wirklich sorgst.“
„Fang jetzt keinen Streit an! Wenn sich das herumspricht, bist du genauso davon betroffen wie ich.“
Cappy schaute theatralisch auf die Uhr. „Wir haben noch vierzig Minuten bis zum nächsten Treffen. Ich mache einen Strandspaziergang und schlage vor, du überlegst dir solange, wie du damit umgehen wirst, dass Nicky deine Schwester ist.“
„Ich weiß nicht, was diese Gerritsens vorhaben, aber ich sehe wirklich nicht ein, weshalb ich hierbleiben und mitmachen soll.“ Nicky warf Phillip und Jake einen flüchtigen Blick zu und ging zum Kleiderschrank. Sie war sehr ruhig geblieben, als Phillip die Geschichte ihrer Geburt erzählt hatte. Vermutlich hatte keiner der beiden Männer diese Reaktion von ihr erwartet.
Als sie anfing, ihre Kleider von den Bügeln zu nehmen, ging Phillip zu ihr. Doch Jake legte ihm eine Hand auf die Schulter und deutete zur Tür. Phillip fühlte sich zwischen dem, was er für seine Pflicht hielt, und dem, was er offensichtlich lieber getan hätte, hin- und hergerissen. Schließlich entschied er sich für Letzteres. Die Tür fiel leise hinter ihm ins Schloss.
„Was machst du da?“, fragte Jake.
„Ich fahre nach Hause.“
„Du willst bei diesem Regen den ganzen Weg alleine zurückfahren?“
Sie schaute ihn fragend an. „Du hast doch nicht vor, zu bleiben?“
„Ich fahre nicht weg. Wenn du nicht bleibst, um herauszufinden, was hier los ist, muss ich es tun.“ Jake setzte sich aufs Bett. „Ich sehe es so: Entweder hier lügt jemand oder er sagt die Wahrheit. Aber davon unabhängig sollten wir uns fragen, weshalbdas so ist. Wir können nicht so tun, als ob das egal wäre.“
„Aurore Gerritsen war nicht meine Mutter!“ Nicky stieß mit dem Bein gegen das weiche Bett. Sie spürte Jakes Hand auf ihrem Knie und setzte sich neben ihn.
„Woran erinnerst du dich bei deinem Daddy?“, fragte Jake.
„Wenig. Er war ein guter Mensch.“
„Und was hat er dir über deine Mutter erzählt?“
„Nichts. Er hat nie viel gesagt.“
„Könnte sie eine Weiße gewesen sein?“
„Woher soll ich wissen, welche Hautfarbe sie hatte?“
„Weil du genau wie jedes andere vernunftbegabte Wesen zwei und zwei zusammenzählen kannst.“
„Sprechen wir über Farbtöne? Soll ich die Hautfarbe meiner Mutter anhand der Hautfarbe meines Vaters erraten? Oder an meiner? Hier geht es doch nicht um eine Kakaomischung, wo man nur ein bisschen mehr Schokoladenpulver zugibt, um ihn ein bisschen dunkler zu machen. So einfach ist das beim Menschen nicht.“
„Dein Daddy hat dir also nichts über deine Mutter erzählt. Gab es sonst noch
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