Gefahrliches Vermachtnis
ziemlich unwohl. Hatten Schmuggler Gewehre bei sich? War das Leben von drei Jungen mehr wert als eine Flasche Jamaikarum?
Sie kauerten sich zusammen und schlichen leise auf Zickzackkurs durch Chénière. Nach ungefähr einem Kilometer – Hugh wollte eine Pause vorschlagen – führte Val sie in den Sumpf.
Hugh war froh, dass er sich die Schuhe angezogen hatte. Ferris, der nur kurze Hosen trug, tat ihm leid. Val signalisierte ihnen, nur dorthin zu treten, wo er hintrat, und Hugh versicherte sich, dass Ferris verstanden hatte, um was es ging, bevor er Val folgte. Das Rauschen der Wellen ging in die anschwellenden Geräusche der Natur über. Hugh hörte das Bellen eines Alligators, kaum hundert Meter entfernt und damit entschieden zu nah. Eine Eule rief von einer Zypresse. Ihre goldenen Augen blinkten wie die Leuchtfeuer draußen in der Bucht. Val hatte sich einen soliden Weg ausgesucht, aber Hugh fragte sich, was bei einem falschen Schritt geschehen würde.
Der Wind frischte auf. Je tiefer sie in den Sumpf hineingingen,umso mehr wuchs Hughs Gewissheit, dass der nächste Schritt sie kopfüber in das schlammige, brackige Sumpfwasser führen würde. Er setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, während sich die Moskitos auf ihn stürzten. Hugh fragte sich, wie er seiner Mutter am nächsten Morgen die Stiche im Gesicht erklären sollte.
Als Val plötzlich stehen blieb, wäre Hugh um ein Haar mit ihm zusammengeprallt. Er streckte seine Hand aus, um Ferris anzuhalten, der ihnen mühelos und ohne Anzeichen von Müdigkeit folgte. Val bedeutete ihnen, sich zu ducken und zu einer höchstens zwanzig Meter entfernten Wassereiche zu gehen. Er gab ihnen gestenreich zu verstehen, dass ihnen das Wasser bis zur Hüfte gehen würde, und fragte per Handzeichen, ob sie mutig genug wären, ihm zu folgen.
Hugh fühlte sich nicht besonders mutig, aber er hörte Ferris hinter sich rumoren. Er wusste auch, dass er, wenn er versuchen würde, alleine zurückzugehen, in Gefahr geraten würde. Resigniert nickte er mit dem Kopf. Val versank mit einer Natürlichkeit im Schlamm, als ob er nie etwas anderes getan hätte. Hugh folgte ihm mit zusammengebissenen Zähnen. Hinter ihm kam Ferris. Hugh sah sich besorgt nach ihm um. Beruhigt – Ferris war nur bis zur Hüfte versunken – setzte er seinen Weg fort.
Der Weg schien endlos, bis der Boden wieder fester wurde. Unter den Bäumen machte er es wie Val, er leerte seine Schuhe und beschmierte sich zum Schutz gegen die Moskitos Arme und Beine mit Matsch. Dann half er Ferris, dasselbe zu tun.
Hugh glaubte, in der Ferne ein Motorengeräusch zu hören. Sie kauerten sich noch mehr zusammen. „Ich wusste nicht, dass sie jetzt schon kommen würden“, flüsterte Val.
„Was soll das heißen, du wusstest es nicht?“, fragte Hugh. „Wir hätten mit ihnen zusammenstoßen können!“
„Psst …“
Auf der gegenüberliegenden Seite erschien eine Kette von Lichtern. Nur ein paar Meter von ihnen entfernt flackerten drei Laternen auf. Hugh glaubte, Stimmen zu hören. Als er sich sicherwar, verstärkte sich das Motorengeräusch, bis es alles andere, auch die Warnrufe der Alligatoren, übertönte.
Wellen kräuselten sich zu ihren Füßen. Das Motorengeräusch erstarb, und eine Männerstimme brüllte: „Da drüben!“
„Musstest du dir ausgerechnet so einen Ort aussuchen?“ Der Mann auf dem Boot ließ eine Reihe französischer Verwünschungen hören. Hughs Französischkenntnisse waren sehr gut. Er und Ferris waren mehrere Monate bei entfernten Verwandten ihrer Mutter in Lyon gewesen, um ihr Vokabular und ihre Aussprache zu verbessern. Aber das Französisch hier war ein Cajun-Dialekt. Es klang zwar vertraut, aber viele der Worte, die dieser Mann von sich gab, hatte Hugh noch nie gehört.
Val kicherte leise. Hugh lächelte nicht. Unter anderen Umständen hätte er die Schimpftirade des Mannes vielleicht lustig gefunden. Hätte er Ferris doch nur zu Hause gelassen! Doch jetzt war es zu spät.
Ein Mann am Ufer antwortete: „Was willst du? Hätten wir’s zu dir nach Hause bringen sollen oder was? Mitten am Tag vom LKW fallen lassen? Klar, hätte man machen können. Sag halt nächstes Mal vorher Bescheid, Coton.“
Der Mann, der auf den Namen Coton hörte, ließ eine weitere Tirade vom Stapel. Dieses Mal schien er ganz in der Nähe zu sein. Hugh konnte sein Boot sehen. Es war eine kleine Jolle, die eigentlich nicht so aussah, als ob man damit den Sumpf durchqueren konnte. Coton fuhr damit zu den
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