Gefahrliches Vermachtnis
zu verdächtig gewesen, wenn sie sich gar nicht getroffen hätten. Aber seit sie ihn mit Informationen versorgte, musste sie ihr Bedürfnis, mit Hugh zusammen zu sein, gegen die Angst vor Entdeckung genau abwägen. Rashidas Ehemann Hasim war ihre Quelle; er versorgte sie im Klub mit Nachrichten.
Vor der Medina kam sie an zwei gestikulierenden Deutschen vorbei, die sie oft im Palm Court gesehen hatte. Keiner der beiden nahm Notiz von ihr. Sie war nur eine von vielen Musliminnen. Minderwertiges Geschlecht. Minderwertige Hautfarbe. Sie hätte sich gewünscht, ihnen folgen und sie belauschen zu können. Die Nazis hielten sich zwar selbst für sehr clever, doch Nicky wusste, dass sie unvorsichtig und sehr emotional reagierten, sobald sie über ihr Vaterland sprachen. Der Patriotismus löste ihre Zungen. Nicky freute sich, dass er wenigstens zu etwas nütze war.
Hugh wohnte in einem einfachen zweistöckigen Haus, das eingezwängt zwischen zwei ähnlichen Häusern an einem Platz stand, wo Jungen mit fröhlichen Strickmützen Ball spielten, während ihre Schwestern im Haus beim Abendbrot halfen.
Rashida behauptete, dass die Kinder ihre Mütter auch unter Schleiern und Umhängen erkannten. Nicky fragte sich, ob einer dieser Jungen sie für seine Mutter hielt.
In Hughs Haus saß niemand am Empfang. Trotzdem sah Nicky sich erst um, bevor sie an Hughs Tür klopfte. Als er öffnete, hob sie ihren Korb hoch und sagte: „Brot zu verkaufen.“
Nach ein paar Sekunden grinste er und bat sie hinein. Sobald die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, zog sie Schleier und Umhang aus. „Weißt du, wie verdammt heiß es unter so einem Ding ist?“ Sie fächelte sich Luft zu. „Keine Ahnung, wie Rashida das aushält.“
„Was machst du in diesem Aufzug?“
„Fällt dir nichts Besseres zur Begrüßung ein?“
Er zog sie an sich heran. Sie spürte seinen Herzschlag an ihrer Brust. „Ich habe Rashida besucht. Hasim kennt ein paar interessante Neuigkeiten, die ich dir so schnell wie möglich erzählen wollte.“
„Es ist gefährlich hierherzukommen.“
„Gefährlich?“ Sie lachte. „In dieser Aufmachung doch nicht.
Außerdem wissen wir beide, was die Deutschen von euch Amerikanern denken. Warum sollten sie dich hier ausspionieren?“
Er drückte sie fest an sich, bevor er sie wieder losließ. „Du kannst einfach nicht widerstehen, oder?“
„Niemals.“ Sie lächelte ihn an. Sie ließ keine Gelegenheit aus, ihn und seine Kameraden aufzuziehen. Sie nannten sich selbst die zwölf Apostel, aber bei den Deutschen galten sie nur als Idioten. Ihre Positionen als Vizekonsuln waren nur Tarnung für ihre Arbeit beim Geheimdienst der Vereinigten Staaten. Dieser neue Nachrichtendienst wurde von Wild Bill Donovan geleitet, einem engen Freund Roosevelts. Allerdings hielten sie ihre geheime Mission nicht besonders gut geheim.
In ihrem ersten Jahr in Marokko machten die Apostel glorreiche Fehler: Einer hatte sich in eine Französin verliebt, die in Kontakt mit den deutschen und italienischen Kriegskommissionen stand. Ein anderer hatte seine Informationen in derHigh Society Casablancas gesammelt – in der es von Geheimdienstlern aller Seiten nur so wimmelte. Sie hatten Beamte des Auswärtigen Amts gegen sich aufgebracht, und manch einer von ihnen wären beinahe gefeuert worden.
Nicky konnte es sich leisten, sie aufzuziehen, weil sich die Männer im Laufe der Zeit in ihre Aufgaben eingearbeitet hatten. Sie kannte den Wert der Informationen, die sie zusammengetragen hatten. Es gab Gerüchte über eine Invasion der Alliierten in Nordafrika. Falls das geschah, würden jedes bisschen Zusatzinformation, jede Landkarte, jedes Gerücht die Chancen auf einen Sieg der Alliierten erhöhen.
Hugh schob ihr die Kapuze vom Kopf und sie schüttelte erleichtert das Haar. Die Luft war feucht, und sie spürte, wie ihr die Schweißtropfen am Rückgrat entlangliefen. „Ich könnte einen Drink gebrauchen.“
Seine Hand verirrte sich in ihrem Haar. Es war im Laufe des Jahres länger geworden. Ihre Locken ringelten sich um seine Finger. „Es ist schon zwei Wochen her, seit wir miteinander alleine waren“, sagte er. „Hast du daran gedacht, als du Hasim zugehört hast?“
„Es schoss mir durch den Kopf.“
„Ich habe dich vermisst.“
„Phillip hat dich vermisst.“
„Und du?“
Sie löste sich von ihm. „Ich habe ab und zu an dich gedacht, aber ich wusste, dass du weg warst. Ich habe versucht, dich letzte Woche zu erreichen, um dir zu
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