Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefahrliches Vermachtnis

Gefahrliches Vermachtnis

Titel: Gefahrliches Vermachtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
Vom Netzwerk:
wie Hugh war ihr noch nie begegnet. Er war jünger als sie und seine Welt war bisher weniger brutal gewesen. Dennoch wirkte er in allen wichtigen Dingen alles andere als naiv. Er war sehr intelligent und hatte einen freundlichen Charakter. Seine Besorgnis um den Zustand der Welt wurzelte in seiner Fähigkeit, sich in andere hineinversetzen zu können. Er versteckte seine Sensibilität nicht, trug sie aber auch nicht offen zur Schau; man konnte sie ihm nicht als Schwäche auslegen.
    Nicky und Hugh waren sich Stück für Stück nähergekommen, aber sie lebten dennoch in getrennten Welten. Ihre Abstammung und seine Berufung zum Priester waren unüberwindbare Hürden.
    Hugh hielt sie in seinen Armen. Ihre Herzschläge vermischten sich. Sie spürte die Reaktion seines Körpers und seinen Versuch, es zu verbergen. Sie hatten keine gemeinsame Zukunft. Möglicherweise gab es für die ganze Welt keine Zukunft mehr und dennoch kamen sie nicht voneinander los.
    „Hap …“ Sie befreite sich aus seiner Umarmung. Hugh begehrte sie, aber er hatte sich nie von seinem Verlangen überwältigen lassen. Sie hätte sich ihm zwar mit Vergnügen hingegeben, aber sie wollte sich ihm nicht aufdrängen. Er hatte mehr zu verlieren als sie, wenn er sich hätte gehen lassen.
    „Ich werde immer häufiger nicht hier sein“, sagte er. „Ich weiß.“
    „Was weißt du?“
    „Ich weiß, dass du immer mehr zu tun bekommst. Und ich weiß auch, dass die Moral, falls die Alliierten nicht endlich einmal eine Schlacht gewinnen, dermaßen sinken wird, dass sie möglicherweise nie gewinnen werden. Und dass wir trotzdem noch stark genug sind, um in Europa siegen zu können.“
    „Wir werden in Dakar kämpfen.“
    „Sicher. Und deshalb bist du so oft weg und Momente wie dieser sind …“
    Er berührte ihr Kinn. „Mein Lebensinhalt.“
    Der Ausdruck in seinen Augen machte sie mutig. „Was wird aus uns? Ist das auch schon beschlossen?“
    „Ich versuche herauszufinden, was ich dir bieten kann.“
    „Herauszufinden oder zu entscheiden?“
    „Ich liebe dich. Und wir sind im Krieg.“
    Die Liebeserklärung war neu, aber die Probleme altbekannt.
    Sie konnte sich nicht einmal ausgelassen über das Wissen freuen, dass er sie auch liebte.
    „Ich bin schwarz und du willst dein Leben Gott widmen.“
    Er schüttelte den Kopf. „Soll ich so tun, als ob es leicht wäre? Ein Mann, den du geliebt hast, hat dich bereits verlassen.“
    „Wir haben keine Zukunft, Hap. Es gibt keinen einzigen Ort in den USA, wo wir zusammen leben könnten, ohne dass uns Hass entgegenschlagen würde. Ich kann nicht so tun, als ob ich weiße Haut hätte. Und selbst wenn ich es könnte, habe ich da noch einen Sohn, der es nicht kann.“
    „Aber es gibt andere Orte, an denen wir nach dem Krieg leben könnten. Vielleicht sogar hier in Marokko.“
    „Könntest du wirklich in einem Land leben, in dem immer noch Sklavenhaltung erlaubt ist, wenn auch unauffällig? Wäre das ein guter Ort, um unsere Kinder aufzuziehen? Und könntest du deine Familie verlassen? Deine Pläne für das Priesteramt aufgeben?“
    „Ich habe meiner Mutter schon geschrieben.“
    „Was genau hast du ihr geschrieben?“
    „Dass ich mich verliebt habe und dass ich, wenn der Kriegvorbei ist, mit dir leben will.“
    „Hast du da nicht das ein oder andere Detail ausgelassen?“
    „Nein. Ich habe überhaupt nichts ausgelassen.“
    Er zuckte nicht mit den Wimpern. Sie wusste einiges aus seiner Vergangenheit, von der Reederei, die er leiten sollte, und von den Konflikten seiner Eltern und dem irrationalen Hass seines Vaters. Und jetzt hatte er seiner Mutter, einer Frau aus dem alten New Orleans, erklärt, dass er eine Schwarze heiraten würde. „Was wird sie dazu sagen?“, fragte sie.
    „Ich weiß es nicht. Es ist eigentlich auch wichtiger, was du davon hältst, oder?“
    „Du hast ihr geschrieben, ohne mit mir darüber zu sprechen?“
    „Ja.“
    Sie schloss die Augen. „Du warst dir deiner Sache aber ganz schön sicher.“
    „Nicky, ich bin mir in nichts sicher – außer dass die Wahl zwischen dir und Gott oder dir und meiner Familie nicht so schlimm ist wie die Vorstellung, dich zu verlieren.“
    Was hätte sie darauf sagen sollen? Sie küsste ihn. Aber alles, was sie voneinander trennte, wog genauso schwer wie ihre Freude über seine Liebeserklärung.
    Eine Woche später saß Hugh im Palm Court und beobachtete Nickys letzten Auftritt in dieser Nacht. Selbst so spät klang ihre Stimme immer noch frisch.

Weitere Kostenlose Bücher