Gefahrliches Vermachtnis
sagen, dass ich dich sehen muss. Stattdessen kam Arthur.“
„Er hat mir von den Seekarten erzählt, die Hasim dir gegeben hat.“
„Ich wusste gar nicht, dass ihr Jungs untereinander Informationen weitergebt.“
„Die Seekarten sind unbezahlbar. Falls sie stimmen.“
„Du vertraust niemandem, oder?“
Hughs Apartment war beinahe schon steril in seiner Einfachheit. Sie betrachtete eines seiner wenigen Andenken, den Arganbaum aus Draht, den Phillip in der Schule gebastelt hatte. Unter dem Baum standen vier Ziegen auf dicken Beinen und kauten an den Ästen. „Vertraust du mir?“
„Ich traue nicht einmal mir selbst.“
Sie hob den Kopf. Er verzehrte sie mit Blicken. Sie konnte nicht wegsehen.
„Was hat Hasim dir heute erzählt?“, fragte er.
„Welchen Wert hat diese Information, wenn du ihm nicht traust? Ist er nur ein unehrlicher Araber für dich?“
„Fang bitte keinen Streit an, Nicky! Selbst unsere besten Quellen bekommen falsche Informationen. Ab dem Moment, wo bekannt wird, dass Hasim uns hilft, beliefern sie ihn mit Falschinformationen. Keiner weiß, ob das nicht schon passiert ist.“
„Du gibst ihm falsche Informationen. Sie geben ihm falsche Informationen. Wir alle liefern uns andauernd falsche Informationen. Werden wir noch in der Lage sein, die Wahrheit sagen zu können, wenn das alles eines Tages vorbei ist?“
„Was hat Hasim dir erzählt?“
„Er weiß aus zuverlässiger Quelle, dass die Alliierten in Nordfrankreich landen werden.“
„Ach, weiß er das? Nach dem Gemetzel in Dieppe im letzten Monat?“
Der Überraschungsangriff der Alliierten an der französischen Küste war ein unqualifiziertes Desaster gewesen, bei dem Tausende von britischen und kanadischen Soldaten ihr Leben gelassen hatten.
„Seine Quellen behaupten, es gebe eine erhöhte Anzahl an Aufklärungsflügen“, entgegnete Nicky.
Hugh wirkte nicht überrascht. „Vielleicht sind wir größere Idioten, als die Deutschen ahnen.“
„Hasim sagt zwar, das soll nur verwirren, aber er wollte, dass ich dir sage, dass die Gerüchte Casablanca erreicht haben.“
„Sagte er auch, weshalb er glaubt, es seien nur Gerüchte?“
„Weil er glaubt, dass die Alliierten vorhaben, in Nordafrika zu landen.“
Hugh zuckte mit den Achseln. „Manche Leute glauben auch, dass es Norwegen sein wird.“ Er nahm ihr die Skulptur aus den Händen. „Aber es wäre toll, wenn die Deutschen glauben würden, es wäre Dakar.“
„Und welche Anhaltspunkte gibt es dafür?“
„Unsere Regierung hat die Regierung von Haiti um Erlaubnis gebeten, Manöver auf haitianischen Stränden durchführen zu dürfen. Man könnte sich dort wunderbar auf einen Einsatz in Afrika vorbereiten.“
„Und wie habe ich davon erfahren?“
„Durch eine haitianische Cousine?“
„Wie konnte ich das nur vergessen?“
„Da gab es ein paar sehr interessante Truppenübungslager und Gespräche über Mücken, die den Malariavirus in sich tragen, Warnungen vor ungewaschenem Obst …“
„Hap, so etwas ist nur selten Bestandteil einer normalen Unterhaltung.“
„Aber es kommt schon einmal vor, dass man darüber spricht.“
„Ich gehe zum ersten Nazi, den ich sehe. Und dann erzähle ich ihm ohne Umschweife, dass Hap Gerritsen, Vizekonsul und plumper Spion, möchte, dass er glaubt, die Alliierten würden in Dakar landen, während sie in Wirklichkeit ganz woanders landen wollen. Zum Beispiel in Casablanca.“
Er grinste. „Vielleicht landen wir wirklich in Dakar. Vielleicht wollen wir, dass sie glauben, die Gerüchte über Dakar seien so offensichtlich, dass es auf keinen Fall Dakar sein kann.“
„Und dann hast du mich ausgesucht, weil ich so offensichtlich bin?“
„Ich habe dich ausgesucht, weil ich dich anbete.“ Er nahm ihr Gesicht in seine Hände. Sie schloss die Augen, als er sich zu ihr herunterbeugte, um sie zu küssen.
Während des letzten Jahres hatte sie sich langsam und widerstrebendin Hugh Gerritsen verliebt. Keiner von ihnen war auf eine Romanze aus gewesen; dafür war ihr Leben zu ungewiss. Zunächst war ihre Beziehung rein beruflicher Natur. Mit nur mäßiger Begeisterung hatte sie ihn mit Klatschgeschichten aus dem Palm Court beliefert. Doch ihr Eifer wuchs, nachdem Pearl Harbor bombardiert worden war und die Amerikaner in den Krieg eintraten. Mit Hughs Erlaubnis hatte sie Hasim, einen Hafenbeamten, um Hilfe gebeten. Seine Informationen waren unbezahlbar und ihre Bemühungen hatten sie und Hugh einander nähergebracht.
Ein Mann
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