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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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nur die Augen zuzumachen. Einfach dazuliegen, ganz still. Als passierte es gar nicht mit mir. Oder als würde ich es nur träumen. Daß ich an einem anderen Ort war, zusammen mit anderen, nicht wußte, was mit – meinem Körper passierte. Aber er hatte noch nie – andere mitgebracht! Es sollte ja ein – Geheimnis sein. Etwas, wovon nur wir – wußten. Und da – danach – konnte ich es selbst Mama erzählen. Denn er hatte gegen die – Absprache verstoßen.«
    Sie hielt inne, und ich sagte, so behutsam ich konnte: »Aber an diesem Abend, da kamen sie zu dir rein – alle zusammen?«
    Sie nickte. »Sie kamen … nach Hause. Es war spät. Mama war ausgegangen. Ich war schon im Bett. Ich hörte den Krach, das Klirren der Flaschen, die Musik auf voller Lautstärke. Aber das war ganz normal. Das war schon vorgekommen. Ich weiß noch, wie ich dachte: Dann hat er heute abend jedenfalls das. Dann kommt er nicht zu mir. Ich weiß noch, daß ich hoffte, daß sie Frauen dabei hätten, aber ich hörte keine Stimmen. – Und dann … Plötzlich war er reingekommen, stand im Halbdunkel und sagte meinen Namen. Ich hörte an seiner Stimme, was er wollte. Ich antwortete nicht. Tat, als ob ich schliefe. Hoffte, er würde wieder gehen. – Aber er ging nicht. Er legte sich einfach auf mich, schlug die Decke zur Seite, zog meine Schlafanzughose runter, und … einfach …«
    Die Zigarette war ausgegangen, aber sie nahm trotzdem ein paar lange, kalte Züge. Aus ihren Augen liefen schmale Streifen herunter. »Danach ging er wieder rein, und ich lag da im Dunkeln, mit dem gleichen kalten Gefühl zwischen den Beinen. Aber dann …«
    Sie sah sich um, fand die Streichhölzer, zündete die Zigarette wieder an und sog neuen Rauch tief in ihren Körper hinein. Ihre Hände zitterten leicht, ihr Blick war an etwas auf dem Boden zwischen uns geheftet. »Dann war er plötzlich wieder da. Aber dieses Mal war er nicht allein. Es war einer bei ihm! Und ich hörte ihn – Papa – etwas murmeln, fühlte, wie er mir die Decke wieder wegriß, seine Hände auf meinen Schenkeln – an … – Ich wollte schreien, aber dann fiel mir Sissel ein, die im Bett nebenan lag – vier Jahre alt – ich konnte nicht – sie würde zu Tode erschrecken. – Ich versuchte, mich zu wehren, aber er – Papa – stand hinter dem Kopfende und hielt mich fest, die Arme, während der andere – es war der, der Harry hieß, der schlaksige Bassist! – sich auf mich legte, wollte mich küssen, stank nach Bier, kniff mich in die Brüste, faßte mich zwischen … drängte sich in mich rein, eklig wie eine Schnecke, war in zehn Sekunden fertig. – Danach, das gleiche, Arild Hjellestad, der, den ich so witzig fand, und ich lag still, heulte nur, dachte an was anderes, konnte aber nicht anders, als – es war was Neues, dieses Mal, nicht nur Papa, der neben dem Bett stand und zusah, und als sie gingen, hörte ich ihn sagen, Papa: Will noch jemand? – Ich hörte laute Stimmen, aber nach einer Weile kamen sie, noch zwei, erst der, den ich nicht kannte, der aber, wie ich später rausfand, Olsen hieß … und zum Schluß, zum Schluß …«
    »Jakob Aasen.«
    Sie nickte. »Aber das Schlimmste von allem, weißt du, was das war?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Als alles vorbei war und ich nur dalag, und mich endlich im Bett aufsetzen konnte, mein Zeug hochziehen, die Decke, da sah ich … Sissels Gesicht. Ihren Kopf durch die Gitterstäbe des Bettes, der starrende Blick … Ich hatte keine Ahnung, wie lange sie schon wach war, aber wenn sie alles gesehen hatte! Und sie konnte es nicht verstehen! War viel zu klein, um irgend etwas zu verstehen. Das – Gesicht – hat mich seitdem mein ganzes Leben verfolgt. Jedesmal, wenn ich sie gesehen habe, immer – immer! Ich glaube, daß das der Moment war, wo ich mir wirklich vornahm, es Mama zu erzählen.«
    »Und sie – wie reagierte sie?«
    »Sie bekam einen Schock, natürlich. Aber dann sagte sie, daß wir es einfach nur vergessen sollten, daß wir nichts weiter tun sollten.«
    »Ihr habt also nicht die Polizei informiert – oder andere Ämter?«
    »Wir … Sie verließ Papa, am selben Tag. Wir zogen aus – erst ins Hotel, später – in verschiedene Wohnungen. Und dann sagte sie … daß er nicht mein Vater wäre, daß er kein Recht auf mich hätte, daß ich einfach vergessen sollte, daß es ihn gab.«
    »Sagte sie – wer dein richtiger Vater war?«
    »Da noch nicht. Erst – viel später.« Ein schmerzliches Zucken lief über ihr

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