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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Marlon Brando, Chruschtschow und Bulganin waren unsere schwarzgekleideten bad guys, und Paul Anka der kleine Mann im Ohr: › O-oo-oh, I love you baby – I love you so … ‹Wir wollten mit Brigitte Bardot schlafen und Shirley Jones in April Love heiraten, oder Debbie Reynolds in Tammy. Wir waren die schizophrene Brut der 50er Jahre, aufgewachsen in einem politischen Vakuum, ideologielos, gottlos … Das einzige, was wir hatten, war die Musik.«
    »Und die Filme.«
    »Und die Filme. Ich weiß noch, wie Pelle unten im Nordnesvei hin und her getigert ist, während er düster dreinsah und versuchte, so gut er konnte, James Dean in Jenseits von Eden nachzuahmen.«
    »Und der Johnny, der Die Faust im Nacken gesehen hatte, nervte so lange, bis er eine Jacke bekam, wie Brando sie hatte, und lief mehrere Monate lang herum und provozierte Schlägereien, in der Hoffnung genauso gründlich einen auf die Schnauze zu kriegen wie Brando in dem Film.«
    »Dafür brauchte er nicht weit zu laufen. Er brauchte sich nur mit seinem Vater anzulegen, zu Hause, im Wohnzimmer.«
    »Mhmm.«
    »Du kennst doch die Geschichte, wie James Dean bei Marlon Brando anrief, ohne zu sagen wer er war, nur den Telefonhörer an den Plattenspieler hielt, wo Elvis sang: › You’re nothing but a hound dog … You’re no friend of mine. ‹Da hast du das ganze Triumvirat in einer Anekdote: Marlon, Jimmy Dean und Elvis.«
    Abrupt sagte er: »Und wir mußten nicht mal heiraten, wie so viele andere zu der Zeit.«
    »War das nicht, genau genommen, hauptsächlich in schwedischen Filmen und dem Norwegischen Frauenblatt so?«
    »Wir hatten einfach – Lust.«
    »Und du spieltest fröhlich weiter. The Harpers überlebten?«
    »Abgesehen davon, daß wir den Namen änderten. 1970. Da hatte die norwegische Welle eingesetzt, die Texte sollten norwegisch sein – und am liebsten auf Dialekt – und am allerliebsten politisch. Wir gingen dazu über, uns die Harfenjungs zu nennen, übersetzten einige der alten Texte ins Norwegische, hielten uns aber meistens an die alte Musik.«
    »Und Rebecca?«
    »Wir haben jedenfalls die stürmischen 70er Jahre ziemlich unbeschadet überstanden. Nachdem wir Petter bekamen, 1972, fing sie an zu studieren und wurde in die Frauenbewegung hineingezogen.«
    »Wer wurde das nicht?«
    »Aber wir kamen trotzdem gut zurecht. Ich ging sogar mit zur 8. März-Demo, mit Kinderwagen und allem Drum und Dran, und hinterher nach Hause und brachte die Kinder ins Bett, während sie zur Frauenfete ging.«
    Ich seufzte. »Die Glanzzeit der Separatisten.«
    »Dann bekamen wir Grete, 1979, und sie mußte ihr Studium wieder unterbrechen. Da spürte ich eine neue Rastlosigkeit bei ihr, als hätte sie für diese Schwangerschaft eigentlich keine Zeit.«
    »Und du?«
    »Ich? Ich war Organist in verschiedenen Kirchen, schon seit 1970. Erst Vertretungen, dann längere befristete Anstellungen, und dann schließlich, 1980, eine feste Stelle. Ungefähr parallel dazu wurde ich in die Kirche hineingezogen – von dem formalen Staatskirchenmitglied, das ich zu Anfang war, 1970, bis – zu weit mehr heute.«
    »Ja?«
    Er sah mich ernst an. »Es kam durch die Musik. Wenn ich da saß, allein, unter den hohen Gewölben, und für mich allein spielte, da gab es Augenblicke, in denen ich plötzlich eine Nähe spürte – von irgend etwas. Ein – wie soll ich es nennen – Gefühl, nicht allein zu sein, das ich nie vorher erlebt hatte. Während Rebecca – sie glitt in die entgegengesetzte Richtung, weg vom Glauben ihrer Kindheit. Es war ein schwerer Prozeß für sie, natürlich, bei ihrem Hintergrund – so schwer, daß ich sie dazu brachte, unseren Pfarrer, Berge Brevik, um Hilfe zu bitten, aber ohne Erfolg – außer einer Art Verzögerung.«
    »Dann war es vielleicht das, was euch schließlich und endlich auseinanderführte?«
    »Mich und Rebecca?«
    »Nein. Jetzt dachte ich an – dich und die Harpers.«
    Er sah aus, als dächte er nach. »Ja, vielleicht war es das, wenn man alles zusammen nimmt.« Er riß sich von den Gedanken los.
    »Nein, Varg, laß uns gehen!«
    »Und wohin?«
    »Wir gehen zu den Dichtern {6} .«
    »Genau. Wie der alte Schauspieler sagte: – Erst geh’ ich zu den Dichtern. Dann geh’ ich vor die Hunde.«

14
    »Bevor wir gehen, mußt du nur noch – mein Komponierzimmer sehen!«
    Er führte mich durch den Flur zu einer der hintersten Türen. Dort öffnete er ein winziges Kämmerchen von einem Zimmer, so klein, daß er wahrscheinlich hinausgehen

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