Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
stieg.
    Ich sah an der grauen Fassade hinauf. »Sieht exclusiv aus.«
    Jakob trat neben mich. Die frische Luft hatte ihm gut getan. »Es ist ein, in gewissen Grenzen, diskreter Laden. Du kommst nicht rein, ohne die Einladungskarten, die wir gestern abend erhalten haben, und sie bitten nicht jeden.«
    »Dann ist die Frage, ob ich reinkomme.«
    »Doch, doch. Sie ziehen jede Woche um. Die Hintermänner besitzen drei, vier solcher abbruchreifen Häuser an verschiedenen Stellen im Zentrum, und sie verlegen den Laden von Haus zu Haus, von Woche zu Woche. Das Ganze ist im Grunde nichts, als ein geschicktes Umgehen der Schankverordnungen …«
    »Und eine genauso geschickte Einnahme von schwarzem Geld?«
    »Der Laden, wo wir gestern waren, der ist sozusagen – respektabel. Da ist jedenfalls die Fassade in Ordnung. Da triffst du manchmal sowohl Kommunalpolitiker als auch Polizisten an ihrem freien Abend.«
    »Und hier? Keine Polizisten?«
    »Kann schon mal passieren. Nicht alle nehmen die Einhaltung der Schankverordnungen gleich ernst, und gegen einen billigen Drink haben die wenigsten was einzuwenden. Aber im großen und ganzen triffst du hier schon eher alle uns andere. Viele Musiker, die ihre Jobs irgendwo anders beendet haben, und die Lust haben auf einen ruhigen Drink, bevor sie sich aufs Ohr hauen. Theaterleute, Vertreter und Leute aus der Reklamebranche, der lokale Jet Set, und andere, die noch keine Lust haben, Feierabend zu machen, wenn die anderen Lokale schließen.«
    »Das klingt nicht nach einem Laden, in dem ich mich wohl fühlen könnte.«
    »Sag das nicht, Varg. Es kann sogar vorkommen, daß du eine Frau triffst.«
    »Welchen Typ Frau?«
    Er lächelte schief und ging zur Tür. Ohne es erst mit der Klinke zu versuchen, drückte er auf eine Türklingel, an der ein X stand. Nachdem er geklingelt hatte, trat er einen Schritt zurück und wartete.
    Eine halbe Minute später tauchte hinter der Scheibe in der Tür ein blasses Gesicht auf. Ein forschender Blick maß uns beide, bevor das Gesicht verschwand, ein Türsummer ertönte und die Tür aufging.
    Ein Bodybuilder im Smoking, Größe L, versperrte uns den Eingang, so freundlich wie ein wegen Doping disqualifizierter Gewichtheber.
    Jakob, der die Prozedur kannte, hielt ihm die beiden Eintrittskarten hin, und das Schwergewicht nickte. »Und – Cover Charge.«
    Jakob drehte sich zu mir um, während er in seine Innentasche griff. »Hast du zwei Blaue?«
    »Zwei – für jeden?«
    »Mhm. Aber da ist für jeden eine Flasche Schampus mit drin.«
    »So exclusiv wie das Gebäude?«
    »Der exclusivste, den du kriegen kannst. Opera.«
    »O sole mio.«
    Ich holte also zwei Hunderter hervor und bezahlte. Dafür erhielt ich einen numerierten Bon. Ich schielte zum Türsteher hoch. »Und was riskiere ich, damit zu gewinnen? Eine Tischdecke mit Hardangermuster vom Missionsverein oder ein Toilettenset von Woolworth?«
    »Wo hast du denn den Kuckuck aufgegabelt?« wandte sich der Hammerwerfer an Jakob.
    »Hab’ zufällig unter seinem Baum gestanden.«
    »Ich hoffe, du kannst für ihn bürgen.«
    »Kuckuck! Drei Wünsche frei«, murmelte ich. »Manuale, Suspi und Anabole Steroide.«
    Jakob hob abwehrend die Hand. »Wir sind einfach ’n bißchen witzig drauf, heute abend. Kommt nicht oft vor. Aber heute ist so ein Tag. Können wir raufgehen?«
    Der Brummbär nickte und hob resigniert die Arme.
    Wir erklommen die erste Treppe. Das Discohämmern wurde schwerer. Es klang wie Dinosaurier auf der Flucht.
    »Gibt es einen Unterschied zwischen den Etagen?«
    »Nein. Später in der Nacht gibt es nur ein unterschiedliches Platzangebot.«
    Ich schielte zu ihm rüber. »Was tun wir eigentlich hier, Jakob?«
    Er antwortete nicht.
    »Suchen wir jemanden?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Rebecca?«
    Er blieb stehen. Der Blick, den er mir zuwarf, war wie Treibsand. »Vielleicht. Vielleicht nicht.«
    »Gro?«
    Er schüttelte bestimmt den Kopf. »Sie ist heute im Schoße der Familie. Video und warmes Bier. Routineknatschen der Bettfedern. Samstagsvergnügen im guten alten Norwegen, am Rande der Welt.«
    Ich summte leise: » All the lonely people – where do they all come from? «
    Er öffnete die Tür im ersten Stock und ging hinein. Das Musikvakuum explodierte uns entgegen, und dann sog es uns sofort in sich auf, und uns blieben keine anderen Kommunikationsmöglichkeiten als Zeichensprache und Nebelhorn.
    Die Wohnung war weitläufig. Alle Türen waren ausgehängt, und von dem aus, was einmal

Weitere Kostenlose Bücher