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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Größen in Reih und Glied aufgestellt. Sie streckte die Hand hinter eine der Reihen und zog einen Umschlag hervor. »Das hier kam mit der Post, letzten Montag.«
    Sie gab mir den Umschlag. Er war anonym, in Bergen abgestempelt, ohne Absender und mit Johnny Solheims Namen und Adresse, geschrieben in großen und bewußt krakeligen Buchstaben.
    »Johnny hat ihn einfach in den Müll geworfen. Er hatte keine Ahnung, was es sollte, sagte er. Aber gestern, da fiel er mir ein. Ich ging in den Keller, suchte im Mülleimer und fand ihn wieder. Du siehst ja selbst – er stinkt, und er ist zerknüllt, aber … Ich dachte … Glaubst du, ich sollte ihn der Polizei zeigen?«
    Ich öffnete den Umschlag und zog ein Blatt hervor. Ich faltete es auseinander, und es traf mich wie ein Schlag in die Magengrube.
    Es war ein ganz gewöhnliches Briefpapier, auf das irgend jemand vier Oblaten mit Engelsmotiven geklebt hatte: an Rubens erinnernde, pausbäckige Engel, deren Unterarme auf hellblauen Wolken ruhten und die dich kleinkindhaft und freundlich anlächeln. Über jeden Engelkopf war ein schwarzes Kreuz gezeichnet, mit Filzstift. Zwei der Köpfe waren mit einem blutroten Kreuz durchgestrichen, und um den dritten war ein Kreis gezeichnet, in derselben Farbe.
    »Kannst du begreifen, was das zu bedeuten hat?« fragte Bente Solheim in merkwürdig uninteressiertem Ton.
    »Jedenfalls glaube ich, du solltest es der Polizei zeigen«, sagte ich. »Ja, du mußt es ihnen zeigen. Es könnten Fingerabdrücke oder andere Spuren drauf sein.«
    »Aber – aber was bedeutet es?«
    »Das – weiß ich nicht genau«, sagte ich und blieb mit dem ausgebreiteten Blatt in der Hand sitzen.
    Das war eine Lüge. Ich war nicht nur sicher, was es bedeutete. Der anonyme Gruß war außerdem das erste bombensichere Zeichen dafür, daß es zwischen den drei Todesfällen wirklich eine Verbindung gab – jedenfalls zwischen Harry Kløves und Johnny Solheims Tod. Ingeborg Kløve hatte mir gerade erzählt, daß Harry ein Engelbild mit der Post erhielt – und starb. Jetzt stellte sich heraus, daß auch Johnny ein Engelbild mit der Post empfangen hatte – und tot war.
    Und damit nicht genug. Die Harpers hatten sich später die Harfenjungs genannt. Sie waren vier gewesen. Als Johnny diesen Brief bekam, waren zwei von ihnen schon ausgestrichen, und der dritte – der im Kreis – war an der Reihe.
    Und jetzt – war nur noch einer übrig.

30
    Ich verließ Bente Solheim, nachdem ich ihr nahegelegt hatte, sofort Vegard Vadheim anzurufen und ihm von dem anonymen Brief zu erzählen.
    Unten auf der Straße stand mein Wagen und wartete. Niemand hatte heimliche Botschaften unter den Scheibenwischer geklemmt, und die Straße sah immer noch leer und verlassen aus.
    Ich hatte ein flaues Gefühl von Nervosität im Bauch; als erahnte ich ein Handlungsmuster, auf das ich keinen Einfluß hatte, weil das meiste längst passiert war, und der unsichtbare Gegenspieler war als nächster am Zug. Es war, wie mit einer Binde vor den Augen Simultanschach zu spielen, wenn man noch nicht mal lokaler Meister im Mensch-ärgere-dich-nicht war.
    Ich fuhr zur nächsten Telefonzelle, warf die nötigen Münzen ein, und wartete ungeduldig, daß Jakob den Hörer abnahm.
    Als ich Petters Stimme hörte, wurde mir noch flauer im Bauch.
    »H-hier ist Ve-Veum. Ist dein Vater nicht zu Hause?«
    »Doch, einen Moment bitte«, sagte er, als sei es die einfachste Sache der Welt.
    Mir wurde schwindelig. Ich holte meine Schultern wieder herunter und atmete langsam aus.
    Dann war Jakob dran. »Hallo? Varg? Was ist los?«
    »Hör zu, Jakob, eine ernste Frage.«
    »Ja?« Er klang ungeduldig. »Bist du noch da?«
    »Ja, entschuldige – ich hatte einen Frosch im Hals.« Ich räusperte mich. »Sag mal, du hast keine merkwürdigen Briefe bekommen in letzter Zeit?«
    »Merkwürdige Briefe? Nein. Was sollte das sein?«
    »Ein anonymer Gruß mit – mit Engelbildern drauf.«
    »Engelbilder? Was meinst du damit?«
    »Solche kleinen Oblaten mit Engelmotiven, die Kinder sich ins Album kleben und die du in dein Sonntagsschulheft bekamst, wenn du ein lieber Junge warst.«
    »Nein, Varg«. Er hörte sich nicht an, als würde er mich sonderlich ernst nehmen. »Hab’ ich nicht. Es ist ziemlich lange her, daß ich in der Sonntagschule war, übrigens.«
    »Sehr gut. – Wenn du so was kriegst, dann informier sofort die Polizei. Oder mich. Tu’ jedenfalls was damit!«
    »Aber … Du klingst so angespannt, Varg. Ist was passiert? Hat

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