Gefallene Engel
an. Sie haben einen Weg gefunden, das Andocksystem zu öffnen – oder es war bereits offen. Und dann haben sie hier draußen gewartet, um zu sterben, wenn sich der Luftvorrat ihrer Anzüge erschöpft hat. Warum sind sie nicht hineingegangen?«
»Sie haben an der Besprechung teilgenommen. Sie hatten keine Lebensmittel, keine…«
»Ja, ich habe gehört, wie Sie meterweise Gründe abgespult haben, aber ich habe nichts gehört, was erklären würde, warum vier Archäologen lieber in ihren Raumanzügen sterben, als ihre letzten Stunden damit zu verbringen, im größten archäologischen Fund der Menschheitsgeschichte herumzuspazieren.«
Sie zögerte einen Moment, und ich sah wieder etwas von der Frau am Wasserfall. Dann trat erneut das fiebrige Leuchten in ihre Augen.
»Warum fragen Sie mich? Warum fahren Sie nicht einfach eins der beschissenen IDV-Sets hoch und fragen sie selbst? Ihre Stacks sind doch intakt, nicht wahr?«
»Die IDV-Systeme sind im Arsch, Tanya. Genauso korrodiert wie die anderen Bojen. Also frage ich Sie noch einmal. Warum sind diese Leute nicht an Bord gegangen?«
Wieder schwieg sie und wandte den Blick ab. Ich glaube ein Zittern in einem Augenwinkel zu erkennen. Dann war es verschwunden, und sie schaute mit der gleichen trockenen Ruhe zu mir auf wie im Lager.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie schließlich. »Und wenn wir sie nicht fragen können, kann ich mir keine andere Möglichkeit vorstellen, es herauszufinden.«
»Ja.« Ich lehnte mich müde zurück. »Und genau darum geht es die ganze Zeit. Herausfinden. Geschichte enthüllen. Die beschissene Fackel der menschlichen Entdeckungen weitertragen. Sie sind nicht am Geld interessiert, Ihnen ist es egal, wer am Ende das Besitzrecht bekommt, und Sie haben auch nichts dagegen, wenn Sie sterben. Warum sollte es den anderen also nicht genauso gehen, richtig?«
Sie zuckte zusammen, aber nur für einen kurzen Augenblick, bevor sie die Reaktion unterdrückte. Dann wandte sie sich von mir ab und ließ mich zurück, im blassen Licht der Illuminiumkachel, gegen die sie sich gepresst hatte.
31
Es war wie im Delirium.
Ich erinnerte mich, irgendwo gelesen zu haben, dass etliche der Archäologen, die auf dem Mars als Erste in die Mausoleen eingedrungen waren, die später als Städte kategorisiert wurden, verrückt geworden waren. Mentale Zusammenbrüche waren damals so etwas wie eine Berufskrankheit gewesen. Bei der Jagd nach dem Schlüssel zur marsianischen Kultur blieben einige der klügsten Köpfe des Jahrhunderts als Opfer auf der Strecke. Nicht am Boden zerstört oder im rasenden Wahnsinn versunken, wie es mit den archetypischen Antihelden in Experia-Horrorstreifen geschah. Nicht gebrochen, sondern nur abgestumpft. Die Schärfe ihrer intellektuellen Fähigkeiten war zu einer dumpfen, getrübten Unbestimmtheit abgewetzt worden. Dutzende von ihnen waren so geendet. Psychische Abschürfungen durch den ständigen Kontakt mit den Hinterlassenschaften nichtmenschlichen Geistes. Die Gilde verschliss sie wie chirurgische Skalpelle, die gegen einen rotierenden Schleifstein gehalten wurden.
»Ich schätze, wenn man fliegen kann…«, sagte Luc Deprez, der die Architektur ohne jeden Enthusiasmus betrachtete.
Seine Haltung kommunizierte Verwirrung. Ich vermutete, dass er die gleichen Probleme wie ich damit hatte, alle Winkel, in denen ein Hinterhalt lauern mochte, im Auge zu behalten. Wenn die Kampfkonditionierung so tief verwurzelt war und man nicht tun konnte, wozu man ausgebildet worden war, juckte es wie ein schwerer Nikotinentzug. Und nach einem Hinterhalt in marsianischer Architektur Ausschau halten zu wollen war wie der Versuch, an Mitcham’s Point einen Gallertopus mit bloßen Händen zu fangen.
Vom massiven überhängenden Sturz, der aus der Andockschleuse herausführte, entfaltete sich die wuchtige innere Struktur des Schiffes auf eine Weise, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Als ich verzweifelt nach Vergleichen suchte, rief mein Bewusstsein ein Bild aus meiner Kindheit in Newpest auf. Während eines Frühlings auf der tiefen Seite des Hirata-Riffs war ich mächtig in Panik geraten, als der Schlauch meines geschnorrten und zusammengeflickten Tauchanzugs bei fünfzehn Metern an einer Koralle abriss. Ich hatte gesehen, wie der Sauerstoff in einem Schwarm silbriger Blasen explodierte, und mich flüchtig gefragt, wie dieser Sturm aus Sphären von innen aussehen mochte.
Jetzt wusste ich es.
Diese Blasen waren erstarrt, in blauen und
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