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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
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dahinter hervorkommen würde, wenn sie dazu bereit war, was vielleicht nie geschah. Wardani hatte die emotionale Entsprechung eines Vakuumanzugs angelegt, den einzigen Schutzmechanismus, der einem Menschen blieb, wenn die Moralparameter der Umgebung so himmelsschreiend unberechenbar geworden waren, dass ein aufnahmefähiger Geist sie nicht mehr ungeschützt überleben konnte. Seit einiger Zeit bezeichnete man es als Kriegsschocksyndrom, ein allumfassender, trister Begriff, der den Leuten etwas in die Hand gab, die damit umgehen mussten. Es mochte zahllose mehr oder weniger wirksame psychologische Wiederherstellungstechniken geben, aber das letzte Ziel jeder medizinischen Philosophie – das der Vorbeugung statt der bloßen Behandlung – lag in diesem Fall eindeutig außerhalb der Möglichkeiten menschlicher Intelligenz.
    Für mich war es keine Überraschung, dass wir immer noch mit Neandertaler-Knüppeln in den eleganten Ruinen der marsianischen Zivilisation herumwüteten, ohne die geringste Ahnung davon zu haben, wie diese uralte Technik funktionierte. Schließlich würde man auch nicht erwarten, dass ein Metzger in der Lage war, mit der Ausrüstung von Neurochirurgen umzugehen. Niemand wusste, wie viel irreparabler Schaden bereits angerichtet worden war, als wir das Wissen und die Technologie ausgegraben hatten, die die Marsianer dummerweise für uns herumliegen ließen. In letzter Konsequenz waren wir nicht mehr als ein Rudel Schakale, das sich durch die Leichen und Trümmer eines Flugzeugabsturzes wühlte.
    »Wir nähern uns der Küste«, meldete Schneider über Interkom. »Wollen Sie raufkommen?«
    Ich wandte mich von der holografischen Darstellung ab, schob die Datenflocken nach unten und blickte mich zu Wardani um. Sie hatte leicht den Kopf gedreht, als Schneiders Stimme zu hören war, doch die Augen, die den Lautsprecher in der Decke gefunden hatten, waren immer noch durch einen emotionalen Schutzschild getrübt. Es hatte nicht lange gedauert, bis ich Schneider aus der Nase gezogen hatte, welche Art von Beziehung er zu dieser Frau gehabt hatte, aber ich war mir immer noch nicht sicher, inwiefern sich das auf die gegenwärtige Situation auswirkte. Er hatte von sich aus eingeräumt, dass es eine zeitlich begrenzte Affäre gewesen war, die durch den Ausbruch des Krieges vor zwei Jahren abrupt beendet worden war, und dass es keinen Anlass zur Vermutung gab, dass es deswegen zu Problemen kommen könnte. Für mich sah das schlimmstmögliche Szenario so aus, dass die ganze Sternenschiffgeschichte nur ein Betrugsmanöver war, mit dem Schneider erreichen wollte, dass ich ihm bei der Befreiung der Archäologin half, damit sie gemeinsam den Planeten verlassen konnten. Es hatte bereits einen früheren Versuch gegeben, Wardani aus dem Lager zu holen, wenn der Kommandant die Wahrheit gesagt hatte, und ich fragte mich, ob diese erstaunlich gut ausgerüsteten Kommandos ebenfalls von Schneider hinters Licht geführt worden waren. Wenn das der Fall sein sollte, würde ich sehr wütend werden.
    Doch letztlich hielt ich diese Möglichkeit für nicht sehr wahrscheinlich. Zu viele Einzelheiten waren überprüft worden, seit wir das Krankenhaus verlassen hatten. Alle Daten und Namen stimmten – es hatte wirklich eine archäologische Ausgrabung an der Küste nordwestlich von Sauberville gegeben, die Tanya Wardani geleitet hatte. Als Verantwortlicher für den Transport war Gildepilot Ian Mendel angegeben, aber er trug Schneiders Gesicht, und in der Hardware-Liste waren als Erstes die Seriennummer und die Flugdaten eines schwerfälligen Suborbitaljets der Mowai-Zehn-Serie aufgeführt. Selbst wenn Schneider schon einmal versucht hatte, Wardani herauszuholen, war es aus wesentlich materielleren Gründen als simpler Zuneigung geschehen.
    Und falls er es nicht getan hatte, gab es irgendwo jemanden, der ebenfalls in diesem Spiel mitmischte.
    Was auch immer geschehen mochte, Schneider wäre darauf gefasst, beobachtet zu werden.
    Ich schaltete den Datenprojektor ab und stand auf, als sich im selben Moment das Shuttle in die Kurve legte. Ich hielt mich an den oberen Gepäckfächern fest und blickte auf die Archäologin hinab.
    »An Ihrer Stelle würde ich die Sicherheitsgurte anlegen. Die nächsten paar Minuten könnten etwas unruhig werden.«
    Sie antwortete nicht, aber ihre Hände bewegten sich mechanisch. Ich ging nach vorn zum Cockpit.
    Schneider blickte auf, als ich eintrat, die Hände lässig auf die Armlehnen des Pilotensessels

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