Gefallene Engel
Ihnen?« Der Junge, der sich obszön nahe an den zerstörten Kopf kuschelte, hatte mich beobachtet.
»Nicht sehr, nein.«
»Nun, in ästhetischer Hinsicht ist er natürlich…« Der Junge beließ es bei dieser Andeutung. »Aber unter sorgsamer Verwendung von Bandagen und angemessen zerlumpter Kleidung für mich sollten wir ein wahrlich Mitleid erregendes Ensemble abgeben. Die Verwundeten und die Unschuldigen, die aus den Ruinen ihres Lebens fliehen – die ideale Tarnung, sollte die Lage eskalieren.«
»Djoko, wie er leibt und lebt.« Schneider trat an meine Seite und versetzte mir einen leichten Rippenstoß. »Habe ich es Ihnen nicht gesagt? Er ist dem Geschehen immer einen Schritt voraus.«
Ich zuckte die Achseln. »Ich habe gesehen, wie Flüchtlingstrecks als Ziele für Schießübungen benutzt und niedergemäht wurden.«
»Oh, dessen bin ich mir bewusst. Unser Freund hier war ein Einsatzkämpfer, bevor er den bedauernswerten Unfall erlitt. Er besitzt immer noch tief verwurzelte Reflexe im Kortex oder wo auch immer solche Sachen gespeichert werden.« Der Junge zwinkerte mir zu. »Ich bin Geschäftsmann, kein Techniker. Ich habe eine Software-Firma in Landfall beauftragt, etwas Brauchbares aus den Überresten zu machen. Sehen Sie.«
Der Junge schob eine Hand unter die Jacke, und der Tote zog einen langläufigen Blaster aus dem Holster auf seinem Rücken. Er war sehr schnell. Die Photorezeptoren surrten sichtlich in den Höhlen und scannten die Umgebung. Roespinoedji grinste breit und zog die Fernbedienung hervor. Er bewegte den Daumen, und der Blaster verschwand sofort wieder in der Scheide. Der Arm, der den Jungen trug, hatte sich um keinen Zentimeter gerührt.
»Wenn wir mit Mitleid nicht weiterkommen«, zwitscherte der Junge vergnügt, »stehen uns auch weniger subtile Möglichkeiten zur Verfügung. Aber ich bin wirklich optimistisch. Sie wären überrascht, wie vielen Soldaten es immer noch schwer fällt, auf kleine Kinder zu schießen, sogar in diesen schlimmen Zeiten. Aber genug geplaudert. Wollen wir jetzt essen?«
Roespinoedji bewohnte das oberste Stockwerk und das Penthouse eines rot gestrichenen Lagerhausblocks nicht weit vom Schwanz des Diggers entfernt. Wir ließen nur zwei Soldaten der Milizeskorte draußen auf der Straße stehen und suchten uns einen Weg durch kühles Dämmerlicht, bis wir auf einen Industrielift in einer Ecke stießen. Der wiederbelebte Tote zog die Tür des Käfigs mit einer Hand zur Seite. Das metallische Echo jagte durch den leeren Raum über unseren Köpfen.
»Ich kann mich noch erinnern«, sagte der Junge, als wir zum Dach hinauffuhren, »wie all das hier mit Artefakten ersten Grades voll gepackt war, für den Transport nach Landfall in Kisten verstaut und etikettiert. Die Inventurgruppen arbeiteten schichtweise rund um die Uhr. Die Ausgrabungen hörten nie auf, man konnte die Maschine Tag und Nacht unter allen anderen Geräuschen heraushören. Wie ein Herzschlag.«
»War das Ihr früherer Job?«, fragte Wardani. »Artefakte einlagern?«
Ich sah im schwachen Licht, wie Schneider stumm lächelte.
»In meinen jungen Jahren«, antwortete Roespinoedji ironisch. »Aber ich hatte noch ganz andere Aufgaben. Auf dem Organisationssektor, könnte man sagen.«
Der Aufzug schob sich durch das Dach der Lagerhalle und hielt mit schepperndem Lärm in plötzlich hellerem Licht an. Die Sonne schien durch Fenster mit Stoffvorhängen in einen Empfangsraum, der durch eingezogene bernsteingelbe Wände vom Rest des Stockwerks abgeschirmt war. Durch den Liftkäfig sah ich kaleidoskopartige Muster auf Teppichen, dunklen Holzboden und lange, niedrige Sofas, die rund um etwas standen, das wie ein kleiner, von innen beleuchteter Swimmingpool aussah. Doch als wir hinaustraten, erkannte ich, dass die Aussparung im Boden kein Wasser, sondern einen großen horizontalen Videoschirm enthielt, auf dem eine singende Frau zu sehen war. In zwei Ecken der Lounge wurde das Bild in einem zuschauerfreundlicheren Format dupliziert, auf zwei vertikalen Türmen aus Bildschirmen von normalerer Größe. An der gegenüberliegenden Wand stand ein langer Tisch, auf dem jemand genügend Speisen und Getränke für eine ganze Einheit bereitgestellt hatte.
»Machen Sie es sich bequem«, sagte Roespinoedji, als sein untoter Leibwächter ihn durch einen Torbogen hinaustrug. »Ich bin gleich wieder da. Drüben gibt es zu essen und zu trinken. Und etwas zu hören, wenn Sie wollen.«
Die Musik vom Bildschirm wurde
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