Gefallene Engel
näherten sich schweigend.
Ich verschränkte die Arme über der Brust, sodass meine Fingerspitzen die Kolben der Kalaschnikows berührten.
»Djoko?« Wieder musste Schneider husten. »Bist du das, Djoko?«
Immer noch Schweigen. Der Staub hatte sich so weit gelegt, dass ich nun den matten Glanz von Waffenläufen und die Sichtverstärkungsmasken erkennen konnte, die alle trugen. Unter der weiten Wüstenkleidung war genügend Platz für schusssichere Rüstungen.
»Djoko, hör auf mit dem Blödsinn!«
Ein helles, völlig unpassendes Lachen von der großen, missgestalteten Person in der Mitte. Ich blinzelte.
»Jan, Jan, mein guter Freund.« Es war die Stimme eines Kindes. »Mache ich dich so nervös?«
»Was denkst du denn, Arschgesicht?« Schneider trat vor, dann sah ich, wie die große Gestalt zuckte und auseinander zu brechen schien. Erschrocken ließ ich mein Sehvermögen durch das Neurachem verstärken und erkannte einen kleinen Jungen von etwa acht Jahren, der sich aus den Armen des Mannes löste, der ihn an die Brust gedrückt hatte. Als der Junge den Boden erreichte und zu Schneider lief, sah ich, dass der Träger sich aufrichtete und eine seltsam reglose Haltung einnahm. Etwas spannte die Sehnen in meinem Arm an. Ich holte noch ein bisschen mehr Leistung aus meinen Augen heraus und musterte die nun unscheinbare Gestalt von Kopf bis Fuß. Sie trug keine SV-Maske, und das Gesicht war…
Meine Lippen pressten sich zusammen, als mir klar wurde, womit ich es zu tun hatte.
Schneider und der Junge tauschten komplizierte Handzeichen zur Begrüßung aus und redeten Kauderwelsch. Unvermittelt brach der Junge das Ritual ab und nahm Tanya Wardanis Hand mit höflicher Verbeugung und irgendeiner Schmeichelei, die mir entging. Er schien gewillt, die gesamte Begegnung mit seinen Albereien zu bestreiten. Damit verströmte er den Eindruck der Harmlosigkeit wie eine Lametta-Fontäne an Harlans Tag. Und nachdem der größte Teil des Staubes wieder dort war, wohin er gehörte, hatte der Rest des Empfangskomitees die leicht bedrohliche Aura verloren, die die Silhouetten vermittelt hatten. Die geklärte Luft zeigte nun eine Versammlung von nervös wirkenden und größtenteils recht jungen Irregulären. Ganz links stand ein Weißer mit Flusenbart, der unter der leeren Ruhe seiner SV-Maske auf der Unterlippe kaute. Ein anderer trat ständig von einem Fuß auf den anderen. Alle hatten ihre Waffen geschultert oder eingesteckt, und als ich von der Schleuse nach unten sprang, zuckten alle ein Stück zurück.
Beschwichtigend hob ich die Hände auf Schulterhöhe.
»’tschuldigung.«
»Entschuldigen Sie sich nicht vor diesem Idioten.« Schneider versuchte jetzt, dem Jungen einen Schlag ins Genick zu verpassen, jedoch nur mit begrenztem Erfolg. »Djoko, komm her und sag Hallo zu einem echten, lebenden Envoy. Das ist Takeshi Kovacs. Er war auf Innenin.«
»Wirklich?« Der Junge kam zu mir und reichte mir die Hand. Der dunkelhäutige und feingliedrige Sleeve war schon jetzt hübsch, und später würde er zur einer androgynen Schönheit heranwachsen. Er war tadellos in einen maßgeschneiderten malvenfarbenen Sarong und eine passende Steppjacke gekleidet. »Djoko Roespinoedji, zu Ihren Diensten. Ich muss mich für den dramatischen Auftritt entschuldigen, aber in diesen unsicheren Zeiten kann man gar nicht vorsichtig genug sein. Ihr Anruf kam über eine Satellitenfrequenz herein, zu der niemand außer Carreras Wedge Zugang hat, und obwohl ich Jan wie einen Bruder liebe, ist er nicht für Beziehungen nach ganz oben bekannt. Es hätte eine Falle sein können.«
»Ein eingemotteter Scrambler-Uplink«, sagte Schneider wichtigtuerisch. »Wir haben ihn von Wedge gestohlen. Wenn ich diesmal sage, dass ich einsteige, Djoko, dann meine ich es auch so.«
»Wer könnte daran interessiert sein, Sie in eine Falle zu locken?«, fragte ich.
»Ach.« Der Junge seufzte mit einem Lebensüberdruss, der die Jugend seiner Stimme um mehrere Jahrzehnte übertraf. »Womit soll ich anfangen? Regierungsbehörden, das Kartell, Wirtschaftsanalysten, Spione der Kempisten. Keiner von ihnen hätte einen Grund, Djoko Roespinoedji zu lieben. Selbst wenn man sich in einem Krieg neutral verhält, lässt es sich kaum vermeiden, dass man sich Feinde macht. Es ist eher so, dass man alle Freunde verliert und Misstrauen und Verachtung von allen Seiten erntet.«
»Der Krieg ist noch gar nicht so weit nach Süden vorgerückt«, warf Wardani ein.
Djoko Roespinoedji legte
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