Gefangen im Palazzo der Leidenschaft
…“
„Lily, bitte“, unterbrach sie. „Schließlich sind wir beinah verwandt.“
Wobei beinah das wichtigste Wort war, wie ihr bewusst wurde. Denn er schien seinen Zorn nur mühsam zu zügeln. Allerdings war Dmitri zu kühl und beherrscht, um tatsächlich aus der Haut zu fahren und sie anzubrüllen, wie andere es getan hätten.
Was es für sie umso gefährlicher machte, ihn derart aufzuziehen. Aber sie konnte nicht anders. Denn dieser Mann war so anmaßend, dass sie ihm einfach weiter widersprechen musste.
Abschätzig verzog er den Mund. „Wenn Claudia erst wieder da ist und ich mit ihr sprechen konnte, wird sie schon einsehen, dass sie falsch gehandelt hat.“
„Ich sehe es förmlich vor mir – wie der große, dominante Bruder seine viel jüngere, unschuldige Schwester einschüchtert“, überlegte sie frech.
„Ich weiß nicht, ob es mir gefällt, als furchteinflößend und dominant beschrieben zu werden.“
„Zu spät“, gab Lily zurück, die seine kalte Entschlossenheit ziemlich furchteinflößend fand.
Erneut presste Dmitri die Lippen zusammen. „Und soweit ich mich erinnere, haben Sie Claudia eben noch als erwachsene Frau bezeichnet, die ihre eigenen Entscheidungen treffen kann, stimmt’s?“
„Was nicht ausschließt, dass sie noch unschuldig ist.“
„Offenbar kennen Sie meine Schwester nicht.“ Er warf ihr einen spöttisch-belustigten Blick zu.
Lily krauste die Stirn. „Felix hat mir versichert, dass Dee süß und unschuldig ist.“
„Unschuldig, das sicher“, stimmte Dmitri zu, wobei er hoffte, dass es tatsächlich noch stimmte. „Aber ‚süß‘ scheint mir doch etwas übertrieben.“
„Ist Claudia denn nicht süß?“
Sein Lächeln wirkte hart. „Zuckersüß – solange sie ihren Willen bekommt.“
„Du meine Güte.“ Irgendwie zweifelte sie daran, dass Felix diese Seite an Claudia kannte.
„So ist es.“ Dmitri lachte freudlos auf. „Außerdem sollten Sie wissen, dass es bis zu Claudias fünfundzwanzigstem Lebensjahr in meiner Macht steht, sie zu enterben.“
Forschend betrachtete sie ihn. Seine harten Züge bewiesen, dass er durchaus fähig war, genau das zu tun.
„Ist Ihr Bruder denn in der Lage, ihr ein Leben in Reichtum und Überfluss zu bieten, wie sie es gewohnt ist?“
Ihre Wangen fühlten sich heiß an. „Sie wissen, dass er das nicht kann.“
„Ja“, bestätigte er. „Und wenn Claudia sich dessen erst einmal bewusst ist, wird sie von ihrem Engländer zutiefst enttäuscht sein.“
Falls Claudia Scarletti wirklich das verwöhnte reiche Mädchen war, als das er sie beschrieb.
„Und Felix wird sicher genauso enttäuscht sein, wenn er mitbekommt, dass sie nicht länger erbt“, fuhr Dmitri fort.
„Ich glaube, ich habe mir Ihre Beleidigungen jetzt lange genug angehört.“ Lily nahm ihre Schultertasche vom Boden auf. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen … Ich glaube, ich sollte mir jetzt ein Taxi rufen und mir irgendwo ein Hotel für die Nacht suchen.“
„Nein.“
Sie hielt inne und sah ihn misstrauisch an. Schnell befeuchtete sie sich die Lippen, die plötzlich ganz trocken war. „Was soll das heißen, nein?“
Er zuckte die Schultern. „Sie sind eine junge Frau, die zum ersten Mal allein in Italien ist. Und da Ihr Bruder nicht da ist, fühle ich als sein Arbeitgeber mich dazu verpflichtet, Ihnen den Schutz und die Gastfreundschaft des Palazzo Scarletti anzubieten.“
Lily verspürte ein nervöses Flattern im Bauch. „Und ich kann Ihnen versichern, dass ich mit sechsundzwanzig sehr wohl in der Lage bin, auf mich selbst aufzupassen.“
Verächtlich lachte Dmitri auf. „Davon habe ich allerdings am Flughafen nichts gemerkt, als Sie zu einem Fremden in den Wagen gestiegen sind.“
Im Stillen musste sie ihm recht geben. Trotzdem verteidigte sie sich. „Marco hat sich während der Fahrt hierher wie ein perfekter Gentleman benommen. In Wirklichkeit scheinen Sie seit meiner Ankunft in Italien die einzige Person zu sein, vor der ich beschützt werden muss.“
Dmitri runzelte die Stirn. „Sie sind beleidigend.“
„Ich habe noch nicht einmal angefangen!“, konterte sie scharf. „Sie haben mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hierher bringen lassen, machen meinem Bruder ständig Vorwürfe – und beleidigen mich damit ebenfalls. Und da erwarten Sie auch noch, dass ich dankbar sein soll, weil Sie mir Schutz und Gastfreundschaft anbieten?“ Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Vielleicht habe ich mich heute ein bisschen
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