Gefangen im Palazzo der Leidenschaft
naiv benommen, aber Sie sollten mich auf keinen Fall für dumm halten.“
Diesen Fehler würde er sicher nicht machen. Denn er war sich ihrer Intelligenz, die sich in ihrem Blick und dem bestimmenden Ton zeigte, viel zu sehr bewusst. „Es war nicht nur ein Vorschlag, dass Sie hierbleiben sollen, Lily“, murmelte er. „Es war ein Befehl.“
Entgeistert sah sie ihn an. „Wie bitte?“
„Außer dem Zettel hat Claudia auch ihr Handy dagelassen, damit ich sie nicht anrufen und nach Hause zitieren kann“, sagte er grimmig. „Und als wir ihren Wagen am Flughafen entdeckt haben, haben wir leider das hier am Boden unter dem Beifahrersitz gefunden.“ Er zog ein zweites Handy aus seiner Jackentasche.
Lily starrte auf das kleine schwarz-silberne Handy. „Das ist von Felix …“
Scharf blickte Dmitri sie an. „Sind Sie absolut sicher?“
Benommen nickte sie. „Ich habe es ihm vor drei Monaten gekauft. Als Abschiedsgeschenk sozusagen.“ Wobei es ihr vor allem darum gegangen war, mit Felix in Italien in Kontakt bleiben zu können. „Wenn Sie es mir geben würden …“
„Wohl kaum.“ Dmitri steckte das Handy zurück in seine Tasche.
Wieder verspürte sie dieses nervöse Flattern im Bauch, diesmal noch stärker. „Was soll das?“ Sie spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht gewichen war.
„Ganz einfach, Lily“, erwiderte er schroff. „Im Moment können Claudia und Felix nur über Festnetz oder Ihr Handy telefonieren.“
„Nur dass mein Bruder versuchen wird, mich in England anzurufen. Wenn dort ständig der Anrufbeantworter anspringt, wird er zwei und zwei zusammenzählen und merken, dass ich doch in Rom sein muss.“
„Vermutlich“, stimmte Dmitri zu. „Und da Claudia mich sicher erst anrufen wird, wenn sie dazu bereit ist, bleibt uns nur die Möglichkeit, dass Felix sich über sein Handy mit Ihnen in Verbindung setzt.“ Er hob die Schultern. „Und Sie wären vermutlich nicht bereit, dieses Handy dazulassen, wenn Sie gehen, stimmt’s?“
„Ganz sicher nicht!“, erklärte Lily empört.
„Das dachte ich mir“, meinte er rundheraus. „Und da meine Schwester nun offenbar auf Gedeih und Verderb Ihrem Bruder und dessen ‚ehrenwerten Absichten‘ ausgeliefert ist, sollte ich seiner Schwester im Gegenzug wohl auch diesen Gefallen tun.“
Lily starrte ihn an, nicht sicher, ob sie richtig verstanden hatte. Oder ihn überhaupt verstehen wollte, wenn er das meinte, was sie annahm. „Können Sie mir nicht klar sagen, was Sie wollen?“, fragte sie nervös.
„Natürlich.“ Ein freudloses Lächeln entblößte seine weißen Zähne. „Bis Ihr Bruder meine Schwester zurückgebracht hat, werden Sie im Palazzo Scarletti bleiben, als mein persönlicher Gast.“
Und damit bestätigte er ihre Vermutung!
4. KAPITEL
„Sie sind doch verrückt!“
Vermutlich stimmte das, wie Dmitri widerwillig einräumte. Es war ein Tag voll schockierender Ereignisse und Enttäuschungen gewesen. Claudias Brief, in dem sie ihm von ihrer Flucht mitteilte, war nur der Anfang des Albtraums gewesen.
Dann war eine verzweifelte Suche im Palazzo und danach die noch frustrierendere Befragung der Freunde Claudias gefolgt, die er kannte. Später war ihr Wagen am Flughafen gefunden worden, zusammen mit dem verdammten Handy, das Lily Barton eben als das ihres Bruders identifiziert hatte. Nach mehreren Anrufen hatte er überdies herausgefunden, dass das Paar für diesen Tag weder einen Flug gebucht noch einen Wagen gemietet hatte.
Im Grunde hatten Claudia und Felix sich in Luft aufgelöst.
Lily und dieses Handy waren noch sein einziger Hoffnungsschimmer. Felix würde seine Schwester vielleicht zumindest in den nächsten Tagen anrufen.
Deshalb war Dmitri keine Wahl geblieben, als sie – und dieses Handy – hierzubehalten, wo er sie sehen und hören konnte.
Stolz war er ganz und gar nicht auf seine Entscheidung, sie als unfreiwilligen Gast bei sich zu behalten. Doch er war nun einmal fest entschlossen, seine Schwester zu finden und wieder nach Hause zu holen, ehe sie etwas noch Leichtsinnigeres anstellen konnte.
Sollte er sie schnell genug finden, konnte er vielleicht einen größeren Skandal verhindern, indem er ihr Verschwinden vertuschte. Aber eine völlig indiskutable Ehe unter den Teppich zu kehren war eine ganz andere Sache …
„Ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht verrückt bin, Lily“, sagte er. „Nur verzweifelt.“
Ungläubig sah Lily ihn an, immer noch schockiert, weil sie im Palazzo Scarletti bleiben
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