Gefangen im Terror (German Edition)
mir durch den Kopf.
Während ich über Ismael gebeugt kniete, fasste mich von hinten ein Arm und riss mich hoch. Ich stolperte mit einem vermummten Fremden ins Treppenhaus. Dort zischte er mir ins Ohr: „Raus hier!“, und gab mir einen Stoß in Richtung Fenster.
Die Fensterbrüstung war viel zu hoch und ich versuchte mich mit letzter Kraft an der Klinke hochzuziehen, da gab es erneut eine Explosion und ich flog zusammen mit dem Fenster nach draußen. Ich landete auf dem Kiesweg vor der Schule, der zu den Garagen führte. Meine Hände waren blutüberströmt, die Glasscherben hatten sie zerfetzt. Ich sah mich um, konnte aber niemanden sehen. Von dem Fremden, der mich zum Fenster gestoßen hatte, fehlte jede Spur. War es Achmed gewesen? Wer sonst hätte den Versuch unternommen, mich zu retten? Jeder andere Terrorist hätte mich einfach erschossen.
Aber ich hatte keine Zeit zum Nachdenken, ich musste weiter und lief in gebückter Haltung, so schnell ich konnte, in Richtung Garagen. Dort endete die Schule ohne Zaun und ich hoffte, zu entkommen. Ich kauerte mich am Ende der Schule an die Mauer und sah mich um.
Über den Hof liefen und krochen Verletzte. Überall lagen tote Erwachsene und Kinder. Die Terroristen schossen auf alles, was sich bewegte und auch von der anderen Seite der Straße sah ich Maschinengewehrfeuer aufblitzen. Ich kroch weiter an der Hauswand entlang. Jetzt war ich hinter den Garagen. In nicht all zu weiter Entfernung stand ein Ambulanzwagen. Die Soldaten dort hatten mich erspäht und kamen mir geduckt entgegen. Ich bewegte mich auf allen Vieren auf sie zu und wurde von ihnen zum Wagen getragen. Sie legten mich auf eine Trage. Endlich bekam ich etwas Wasser zu trinken. Ich konnte es nicht fassen: Ich war gerettet.
2. Kapitel
Chamil hatte eine Ausbildung in einem Trainingslager in Afghanistan hinter sich. Er wusste was in der Schule los war. Er kannte den Plan. Er war auf dem Weg zur Redaktion gewesen, als ihn sein Bruder Mehmet anrief und den Abfahrtszeitpunkt bekannt gab. Bis zu diesem Moment hatte er nicht gewusst, dass der Anschlag der Schule in Beslan gelten sollte. Chamil rang nach Luft, so war ihm der Schreck in die Glieder gefahren. Er konnte seinem Bruder kaum folgen, als der ihm weitere Einzelheiten mitteilte. Es traf ihn völlig überraschend. Nie hätte er damit gerechnet, dass ausgerechnet die Schule, in der Fatma arbeitete, Ziel für die Geiselnahme sein könnte. Er musste sofort reagieren und Fatma davon abhalten, in die Schule zu gehen. Es würde ihren Tod bedeuten.
Der Einsatzort war nur dem Oberst und seinen Führungsstab bekannt gewesen. Seit zwei Tagen waren sie angewiesen, sich nicht weiter als 50 km vom Standort der Einsatzzentrale zu entfernen. Seine Redaktion lag außerhalb dieses Bereichs und Chamil war auf dem Weg dort hin. Er hatte sich nicht an die Vorschrift gehalten. Der wichtige Termin in der Redaktion seiner Zeitung, den er fast vergessen hatte, war ihm dazwischen gekommen. Er hatte nicht am frühen Vormittag mit dem Einsatz gerechnet.
Er hielt sofort an, um Fatma anzurufen, aber Fatmas Handy war ausgeschaltet. Er wendete sein Auto und fuhr in Richtung Beslan. Wenn er sich beeilte, würde er Fatma noch erreichen.
Obwohl er alle Geschwindigkeitsgrenzen überschritten und beinahe noch einen Unfall verursacht hätte, war die Zeit doch zu knapp gewesen. Fatma war schon in der Schule, als er in Beslan ankam. Ihre Eltern hatten verständnislos geschaut, als Chamil um diese Uhrzeit nach ihr fragte.
Fatmas Mutter sah Chamil verständnislos an: „Ist etwas passiert“, fragte sie Chamil mit forschenden Augen. Noch nie war er zu so einer Uhrzeit zu Fatma gekommen.
„Nein“, antwortete Chamil, es ist nichts, ich wollte Fatma nur abholen, da ich eine Reportage in der Schule geplant habe.“
Fatmas Mutter schüttelte nur den Kopf und sagte:
„Sie ist heute früher zur Schule gegangen. Es ist doch der erste Schultag, da muss sie besonders pünktlich sein. Daran hatte Chamil nicht gedacht, obwohl Fatma mehrmals erwähnt hatte, dass sie bereits Vorbereitungen für ihren Unterricht zu machen hatte. Er war zu sehr mit sich und dem Bau der letzten Bomben beschäftigt gewesen. Die Reportage hatte er zunächst völlig vergessen gehabt, erst bei Mehmets Telefonanruf war sie ihm wieder eingefallen.
Chamil war in Afghanistan zwei Monate lang als Sprengstoffspezialist ausgebildet worden. Die letzten wichtigen Informationen hatte er sich per Internet besorgt. Auch das
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