Gefangen im Terror (German Edition)
anhielt. Es war der Cousin meiner Mutter, der vom Markt zurückkam. Ich kletterte mühsam auf den Beifahrersitz. Während der Fahrt stellte er mir tausend Fragen, was alles in der Schule passiert war. Ich erzählte ihm nur bruchstückhaft von dem Überfall, es fiel mir so schwer mich genau zu erinnern. Ich verwechselte die Tage und die Namen der Terroristen waren mir völlig entfallen. Ich konnte ihm nicht einmal mehr sagen, wer alles mit mir in diesem Gang gesessen war. Mein Gedächtnis war wie ausgelöscht.
Aber der Cousin ließ nicht locker, er wollte alles genau wissen. Ein paar Mal sah er mich ungläubig an, weil ich viele Fragen nicht beantworten konnte. Als ich vor unserem Haus ausstieg, warteten meine Schwestern und meine Mutter bereits vor der Türe. Sie stürzten auf mich zu und hielten mich fest umschlungen.
Mein Vater war noch immer unterwegs, mich zu suchen. Als mich meine Schwestern ins Haus brachten, brach ich zusammen. Ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten und sie trugen mich in mein Zimmer und legten mich auf die Matratze. Sie brachten mir zu essen und zu trinken. Ich konnte nur etwas Wasser zu mir nehmen. Dann schlief ich ein.
Achmed und Omar waren dem letzten Angriff des Panzers entkommen. Die Schule stand in Flammen. Durch die starke Rauchentwicklung gelang es ihnen, hinter Buschwerk Schutz zu suchen und sich langsam aus dem Bannkreis der Schule zu entfernen. Sie konnten es kaum glauben, dass ihnen die Flucht gelungen war. Es gab so viele Schützen, die auf alles schossen, was sich bewegte. Auf allen Vieren krochen sie durch die stacheligen Büsche über die Anhöhe hinter der Schule. Sie bewegten sich im Zeitlupentempo, um nicht die Aufmerksamkeit des kreisenden Hubschraubers auf sich zu ziehen. Immer wieder bleiben sie regungslos liegen, verschmolzen fast mit dem Boden, bis Achmed den Befehl zum Weiterlaufen gab.
Achmed hatte gesehen, dass einige der Terroristen auf der Flucht bereits aus der Luft erschossen worden waren. Es war gefährlich bei Tageslicht weiterzugehen, sie mussten unbedingt in Deckung bleiben, damit sie in der Nacht die Hauptstraße überqueren konnten. Sie hatten einen langen Weg vor sich. Das nächste Versteck lag ca. 10 km nördlich in den Bergen. Erst dort waren sie in Sicherheit.
Achmed war am linken Oberarm durch einen Streifschuss verwundet worden, der zwar noch immer blutete, ihn aber nicht weiter behinderte. Das Projektil hätte ihn sicher getötet, wenn es 10 cm weiter rechts in den Brustkorb eingedrungen wäre. Sein Begleiter Omar war gerade 16 Jahre alt und einer der jüngsten unter den Terroristen. Achmed war sein großes Vorbild und er war ihm während der Besetzung der Schule nicht von der Seite gewichen. Er imitierte Achmed fast perfekt, angefangen von den schwarzen Shirts und den Khakihosen bis zum Tonfall seiner Stimme. Obwohl Omar tschetschenischer Abstammung war, gelang es ihm, den arabischen Akzent Achmeds nachzuahmen.
Die Bewunderung war Achmed zwar meistens lästig, aber er hatte begonnen, die Annehmlichkeiten, die damit verbunden waren, zu genießen. Obwohl er sich bei Omar nie bedankte, versorgte dieser ihn mit den unterschiedlichsten Leckereien, die er auftreiben konnte. Manchmal hatte er von zu Hause sogar frisch gebackene Teigtäschchen mitgebracht, die er Achmed unauffällig in die Tasche legte.
Durch geduldiges Kriechen hatte sie es geschafft, den Berg hinaufzukommen. Oben von der Anhöhe konnten sie die Straße gut beobachten. Milizen und Milizautos bevölkerten die Straße in beide Richtungen. Es war unmöglich, näher heranzugehen, ohne entdeckt zu werden. Achmed wagte nicht einmal zu telefonieren, da er befürchtete über den Geheimdienst geortet zu werden. Zusammen mit Omar hatten sie als eine der wenigen die Belagerung und Erstürmung der Schule überlebt, und er wollte auf keinen Fall in die Hände der Soldaten geraten. Er wusste, dass das sein sicherer Tod wäre. Ursprünglich hatten sie damit gerechnet, dass wenigstens alle Führer der Aktion überleben würden. Das für diesen Zweck geparkte Auto war aber entdeckt und von den Militärs weggefahren worden. Diese Beobachtung hatten sie vom Dach der Schule aus gemacht. Damit war klar, dass eine Flucht viel schwieriger werden würde.
Chamils Bruder Mehmet hatte Achmed erschossen auf dem Hof liegen sehen und Chamil war erst gar nicht zur Aktion erschienen. Achmed hatte sich immer wieder gefragt, wo sein Freund geblieben war, da er auch über sein Handy nicht zu erreichen
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