Gefangen im Zwielicht
Alexei, unbeeindruckt von meiner Gegenwehr.
Er fasste mit beiden Händen nach meinem Gesicht und zwang mich, ihn anzusehen. Zack, bumm, da war es schon wieder, sein Psycho-ich-hypnotisier-dich-mal-und-du-machst-was-ich-will-Gesicht. Ich versuchte mich seinem Bann zu entziehen, aber schnell hatte ich verloren. Ich tauchte ein, in seine grünen Seelenspiegel, in denen dunkle Wolken aufzogen, als ob ein schwerer Sturm bevorstehen würde. Wie dichte Rauchschwaden verteilten sie sich, seine Pupillen weiteten sich so enorm, dass ich bald nur noch in zwei schwarze Löcher starrte. Dies war der Augenblick, in dem sich meine Sinne zu vernebeln begannen und mein Geist sich zersetzte. Im nächsten Moment tat sich der Boden unter meinen Füßen auf und ich fiel. Ich fiel wieder in diese endlose Schwärze, immer tiefer und tiefer. Bevor ich irgendwo in der Dunkelheit aufschlug, verlor ich das Bewusstsein.
Kapitel 4
Alexei trug Leon ins Wohnzimmer und legte ihn auf dem Sofa ab. Sein Blick streifte Leons Körper. Er war schön … wunderschön. Seine sterbliche, vollkommene Jugend faszinierte Alexei und löste erneut diese Sehnsucht in ihm aus. Die Sehnsucht nach einem anderen Dasein, als das seine es war. Alexei seufzte und strich sachte über Leons schwarzes Haar und seine Wange. Je länger er ihn betrachtete, umso stärker überfiel ihn das Gefühl, selbst in einen Bann zu geraten … in seinen Bann.
Leons gleichmäßige Atmung durchbrach die Stille, die im Raum herrschte. Alexei beugte sich über Leon und streifte mit den Lippen seinen Mund. Er fühlte sich heiß an und war zart wie Samt. Seine Haut duftete nach Kokos und Orangen. Es war nur eine leichte Berührung, doch Alexei spürte die Hitze des menschlichen Körpers mit einer Intensität, die ihm die Sinne raubte. Leons Blut pumpte pulsierend durch dessen Adern, deutlich hörte Alexei das Echo des menschlichen Herzschlags in seinem Kopf. Sein Kiefer schmerzte, er konnte nicht verhindern, dass seine Fangzähne hervortraten. Alexeis Herz raste voller Verlangen nach Leons Blut, und sein Geschlecht regte sich in seiner Begierde nach dem heißen Körper. Einmal konnte er Leons süßes Blut kosten, ohne dass er ihn in Gefahr brachte. Erst wenn ein Mensch zweimal von einem Vampir gebissen wurde, war es gefährlich. Denn dann warteten nur die Endgültigkeit des Todes oder die ewigen Schatten der Unsterblichkeit. Hektisch atmend löste Alexei Leons Krawatte, öffnete die obersten Knöpfe seines Hemdes und legte seine Kehle frei. Zarte, glatte Haut offenbarte sich ihm, Alexei strich mit zitternden Fingern darüber. Leon stöhnte leise im Schlaf, seine süßen Lippen halb geöffnet. Alexei konnte kaum mehr an sich halten. Der Duft des Blutes und der Pfirsichhaut weckte die wilde Kreatur in ihm. Er musste sie in die Schranken weisen, bevor er Leon etwas antat.
Kaum noch Herr seiner Sinne wich Alexei fauchend zurück und erhob sich. Seiner Kehle entrang sich ein unbefriedigtes Knurren, das Pochen seiner Erektion, über der sich der Stoff seiner Jeans spannte, machte ihn wahnsinnig. Hastig warf er eine Decke über Leon und verschwand, solange er noch fähig dazu war.
Verwirrt und berauscht von seinen Gefühlen irrte Alexei ziellos durch die Nacht. Der laue Abendwind, der sanft über sein Gesicht strich, konnte ihn nur wenig beruhigen. Der unbefriedigte Ausbruch seiner Blutgier und der sexuellen Erregung hatte ihn geschwächt. Er brauchte Blut. Sofort.
Sein Weg trug ihn instinktiv in die düsterste Gegend Berlins, das Rotlichtviertel, das er bereits des Öfteren mit seinem Vater aufgesucht hatte. Manchmal ging er mit ihm auf die „Jagd“, wie Serban es zu nennen pflegte. Alexeis Vater nahm sich ohne Erbarmen, was er haben wollte und quälte seine Opfer mit grausamen Machtspielchen. Danach löschte er ihnen das Gedächtnis. Alexei hingegen überfiel meist einsame Gestalten in dunklen Gassen oder biss Männer und Frauen, mit welchen er sich gerade vergnügte. Die Blutgier war meist verbunden mit dem Gefühl enormer, sexueller Erregung. Alexei versetzte seine Opfer in Trance und nahm ihnen gerade so viel Blut, wie er brauchte. Keiner von ihnen würde sich am nächsten Morgen noch an etwas erinnern können. Die Wunden konnten Vampire mit Hilfe ihres Speichels heilen, so dass später nichts mehr davon zu sehen war.
„Na, mein Schöner, ganz alleine?“
Vor Alexei, im Schein einer trüben Straßenlaterne stand eine Frau, deren Aufmachung und Kleidung verriet, was sie war.
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