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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Rank
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blickte ihn fragend an, als er bemerkte, dass sich der Himmel verdunkelt hatte und dichte Wolken die Sonne verdrängten. Leon streckte eine Hand nach Alexei aus.
    Alexei wollte sie ergreifen, doch er konnte ihn nicht erreichen, obgleich Leon unmittelbar vor ihm stand. Er machte einen Schritt nach vorne, doch Leon entfernte sich dadurch nur noch mehr.
    Der Nebel erschien hinter Leon, und Alexeis Herz raste vor Angst um ihn.
    „Leon!“ Er wollte schreien, doch die Worte verließen seine Lippen nicht, hallten lediglich in seinem Kopf wider. Erneut hob Leon seine Hand, um ihn zu erreichen, und in diesem Moment entdeckte Alexei den Ring an seinem Finger.
    Fassungslos blickte er auf den Siegelring mit dem roten Stein, das geheimnisvolle Schmuckstück mit den eingravierten „W“.
    Das Lachen war wieder zu hören, die Nebelwand teilte sich in der Mitte. Alexei sah eine große, dunkle Gestalt auftauchen, im nächsten Moment zuckte Leons Körper, und ein erstickter Laut drang aus seiner Kehle. Er blickte Alexei ungläubig an, die Augen weit aufgerissen. Halb wahnsinnig vor Grauen und grenzenlosem Entsetzen musste Alexei mit ansehen, wie sich die Spitze eines langen Schwertes von hinten durch Leons Rücken bohrte, aus der Brust wieder austrat und sein weißes Hemd mit Blut tränkte. Die Nebelwand schloss sich, verschlang Leon mit ihren dichten Schwaden. Nach dem grellen Blitz kam wieder die Finsternis und schloss sich nicht nur um Alexei selbst, sondern auch um sein Herz und seine ewig verdammte Seele.
     
    Alexei fuhr im Bett auf und schnappte nach Luft. Es dauerte einige Augenblicke, bis er sich gefangen hatte. Der Schmerz des Verlustes quälte ihn, als wäre es wirklich geschehen. Noch ganz benommen erhob er sich schließlich aus dem Bett, nahm seine Sonnenbrille vom Nachttisch und ging zum Fenster. Die dunkelblauen Brokatvorhänge waren zugezogen und schützten ihn vor der Morgensonne. Er schob den schweren Stoff zur Seite. Trotz der dunklen Gläser kniff er die Augen zusammen, als das Licht auf sein Gesicht traf. Er setzte sich auf das mit blauem Samt besetzte Fenstersims und öffnete vorsichtig die Lider. Lange durfte er hier nicht sitzen, sonst würde es richtig schmerzhaft werden. Seine Haut brannte bereits leicht, und er sah verschwommen, doch allmählich gewöhnten sich seine Augen an das Tageslicht. Er liebte den Zauber des Sonnenaufgangs, den er nur wenige Sekunden genießen durfte. Wie konnte man etwas vermissen, das man nicht kannte?
    Alexei blickte hinunter auf die Königsallee und seufzte. Der Traum von eben schockierte ihn, die unterschiedlichsten Gedanken kreisten in seinem Kopf, und wirre Empfindungen zerrissen ihm die Brust. Von Angst über Besorgnis und Wut, Unsicherheit und Trauer. Was hatte dies nur zu bedeuten? Was hatte Leon mit seinen Träumen und vor allem mit dem Ring zu tun? Ein eigenartiges Gefühl der Unruhe gesellte sich hinzu. Ob es Leon auch wirklich gut ging? Alexei stand auf, wich vom Fenster zurück und riss sich die Sonnenbrille vom Gesicht.
    Er musste zu ihm.
    Sofort.
    Die Angst um Leon nahm Alexeis Geist und Körper in Besitz. Eilig begab er sich in das Badezimmer, wusch sich das Gesicht und bändigte sein Haar. Dann setzte er die Sonnenbrille wieder auf, zog seine Schuhe an und hastete die Treppen hinunter. Das Haus bei Tagesanbruch zu verlassen war mehr als töricht, doch er musste Leon sehen. Die anderen lagen im Tiefschlaf, als Alexei das Haus verließ …

Kapitel 5
     
    Ich erwachte mit pochenden Kopfschmerzen und wusste einen Augenblick nicht, wo ich mich befand. Ich fühlte mich, als hätte ich am Vorabend zu tief ins Glas geschaut und stöhnte, während ich mich aufsetzte. Die Tatsache, dass ich in meinem Anzug auf dem Sofa lag, war verwirrend und beängstigend zugleich.
    „Was, zum Henker …“ Schlaftrunken rieb ich mir die Augen und blickte auf meine Armbanduhr.
    „Scheiße!“ Ich wollte aufspringen, verfing mich jedoch in der Decke und knallte darin verwickelt auf den Fußboden zwischen Sofa und Tisch.
    Es war halb acht, und ich sollte in einer halben Stunde im Büro sein. Mit wackeligen Beinen erhob ich mich und stürzte ins Badezimmer.
    Ein Blick in den Spiegel bestätigte, dass ich so aussah, wie ich mich fühlte. Ich drehte das kalte Wasser der Dusche auf, legte meine Kleidung ab und stellte mich unter den eisigen Strahl. Die Kälte half mir, meine Gehirnzellen einigermaßen zu ordnen. Ich war nach dem Termin bei den Grigorescus nach Hause gefahren, hatte mir ein

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