Gefangen im Zwielicht
nicht um deinen lächerlichen Vampirwahn. Ist Alexei zu blass, zu langhaarig, oder hat er spitze Beißerchen? Sag schon! Das war so was von peinlich, Tom.“ Ich trat einen Schritt zurück und erwartete seine Antwort. Tom schnappte nach Luft, seine Schultern bebten.
„Verdammt noch mal, Leon, hör mir zu. Ich kenne ihn! Er … er … ist … “
„Du kennst ihn? Scheiße noch mal, sprich doch endlich!“ Ich wurde ungeduldig und griff nach seinem Arm. „Tom!“
Seine Miene verfinsterte sich, er besaß wieder diesen irren Ich-bringe-sie-alle-zur-Strecke-Blick. „Er ist einer von denen …“, wisperte er kaum hörbar.
Ich ließ den Arm sinken, mein Kiefer klappte nach unten. „Was? Also doch! Das kann doch nicht dein Ernst sein!“
„Ich bin mir ganz sicher. Es ist der andere Vampir, der den Schwarzhaarigen damals angegriffen hat. Halt dich von ihm fern, du schwebst in höchster Gefahr.“
Ich glaubte, mich verhört zu haben. Im ersten Moment war ich so perplex, dass ich gar nicht wusste, was ich erwidern sollte, dann stieß ich ein Schnauben aus.
„Sag mal, bist du jetzt völlig übergeschnappt? Du bist mein bester Freund, aber ich weiß langsam nicht mehr, was ich mit dir tun soll! Es war so schon schwer genug, mir deinen Blödsinn anzuhören, aber wenn du jetzt meine Freunde beleidigst und überall Vampire siehst, weiß ich nicht, ob ich unsere Freundschaft aufrechterhalten kann und möchte.“
In Toms Augen blitzte es auf, er sah plötzlich hilflos aus. „Aber Leon! Bitte glaub mir doch! Hast du seine Zähne gesehen? Verdammt noch mal, es muss dir doch aufgefallen sein, dass sie spitzer sind als normal!“
Also doch die Zähne. Mein Lachen klang fast hysterisch. „Das sagst du bei jedem zweiten Patienten auch. Mensch, wenn du so weitermachst, verlierst du nicht nur deine Freunde, sondern auch deine Arbeit. Und du landest in der Klapse.“ Ich packte ihn an den Schultern und sah ihn eindringlich an. „Es. Gibt. Keine. Vampire!“
Toms Augen weiteten sich. „Sieh genauer hin! Auch ihn habe ich gezeichnet, weißt du noch?“
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast einen Mann mit langen, blonden Haaren gemalt. Davon gibt es ja wohl zur Genüge!“ Ich biss die Zähne aufeinander, mein Zorn hatte seinen Höhepunkt erreicht. Ich musste zugeben, dass Toms Skizzen tatsächlich Ähnlichkeiten mit Alexei besaßen. Das war vermutlich auch der Grund, warum ich bei unserer ersten Begegnung geglaubt hatte, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Mir fiel der Abend in der Grigorescu Villa ein und wie mich Alexeis Vater an die alten Draculafilme erinnert hatte. Das konnte doch alles nur Zufall gewesen sein. Ich merkte, wie ich zu zweifeln anfing und schüttelte wütend den Kopf. Toms Hirngespinste nahmen allmählich krankhafte Züge an und nun drohte er mich mit seinem Scheiß auch noch anzustecken.
Tom atmete schwer aus und fuhr sich mit beiden Händen durch sein kurzes, blondes Haar. Ich sah seine Verzweiflung und trat einen Schritt näher. „Bitte nimm dich zusammen, ja? Versuch es wenigstens.“
Tom antwortete nicht gleich. Er schien mit sich zu ringen, seine Augen wanderten unruhig hin und her. Doch schließlich nickte er.
„Tut mir leid, Leon. Mann, ich bin so ein Idiot, vielleicht werd ich schon verrückt.“ Er fasste sich an die Stirn und ließ den Kopf auf die Brust sinken.
„Schon gut. Vielleicht solltest du endlich versuchen, die Sache zu vergessen und keine Vampire mehr jagen. Und nun komm, lass uns den Abend genießen.“
***
Razvan schlug die Tür seines Wagens zu und ließ den Motor an. Er hatte genug gesehen, sein Körper bebte vor Wut. Alexei war ein dreckiger Verräter, nichts weiter. Wie hatte er so lange verheimlichen können, dass er den Mann von damals kannte?
Razvan hatte den Sterblichen sofort wieder erkannt und sich an den Feigling erinnert, der ihm damals dank Alexei durch die Lappen gegangen war. Und was zur Hölle hatte Leon Bergmann damit zu tun? Kannte Alexei ihn ebenfalls schon länger? Das konnte doch alles kein Zufall sein. Razvan knurrte auf, vor Wut traten seine Reißzähne hervor. Jetzt konnte ihn nichts mehr halten.
„Du bist tot, Alexei! Und deine minderwertigen Menschenfreunde ebenfalls, dafür werde ich sorgen!“
***
Ich rang mich zu einem Lächeln durch, als wir uns dem Tisch näherten, an dem meine Familie saß. Alexei unterhielt sich bereits angeregt mit Vater, während Fiona dicht neben ihm saß und ihn nicht aus den Augen
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