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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Rank
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immer mehr von ihm.“ Alexei machte eine Pause, ich spürte seine Aufregung, obwohl er nach außen ruhig blieb. „Der Junge weint und streckt die Hand nach mir aus, aber er kann mich nicht erreichen. Die ganze Umgebung, der Park und der Junge verschwinden in unendlicher Finsternis. Für den Bruchteil einer Sekunde taucht in dieser Schwärze der Ring auf und ich höre ein tiefes Lachen. Und dann werde ich wach.“ Während Alexei erzählt hatte, waren seine Fingerspitzen immer wieder über meinen Ring geglitten, seine Augen konnten nicht davon lassen.
    Ich erschauerte. Alexeis Traum erinnerte mich an die Geschichte von Ines’ Vater Albert, dessen kleiner Bruder eines Tages spurlos verschwunden war. Das war nun bereits über achtzig Jahre her, aber er hatte es nie verwunden. Er redete oft wirres Zeug und war heute noch überzeugt, sein kleiner Bruder käme irgendwann zurück. Albert musste damals mit zwei Verlusten innerhalb kürzester Zeit fertig werden. Sein Vater war im Alter von nur siebenundzwanzig Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen, drei Jahre später verschwand sein Bruder für immer.
    Ich seufzte und entschied, Alexei nichts davon zu erzählen. Er wirkte ohnehin sehr betrübt.
    Ich streichelte mit dem Daumen seinen Handrücken, unsere Finger verschränkten sich ineinander. Es war ein schönes Gefühl. Ich wollte ihm Trost spenden und für ihn da sein. „Weißt du, ich kann mich auch nicht mehr richtig an meine Mutter erinnern. Sie starb bei einem Unfall, da war ich gerade mal vier Jahre alt“, sagte ich leise.
    Alexei hob überrascht den Kopf. „Aber ich dachte … “
    „Ines ist meine Stiefmutter, ich nenne sie Mama, weil sie es für mich auch ist. Ich hätte mir keine bessere Mutter wünschen können. Trotzdem denke ich natürlich oft, wie es gewesen wäre, wenn sie nicht gestorben wäre, sehe mir alte Fotos an und frag meinen Vater, wie sie so war. Es sind nur noch einzelne Bilderfetzen vorhanden … ihr schwarzes, langes Haar, ihre freundlichen Augen und ihr ansteckendes Lachen.“ Ich hatte noch nie mit jemandem so offen darüber geredet. Nicht mal mit Vater.
    Alexei musterte mich. Dann neigte er sich zu mir und küsste mich unendlich sanft und innig. Seine Lippen fühlten sich so gut an. Ich schlang die Arme um seinen festen Körper und schmiegte mich an ihn. Nie hätte ich gedacht, dass ich bei einem Mann jemals so empfinden könnte. Aber Alexei war ja auch nicht irgendein Mann. Er war schön, sinnlich, sexy und stark … er war eben Alexei.
    „Du bist der erste Mensch, mit dem ich darüber spreche“, wisperte Alexei in mein Ohr und küsste die empfindliche Stelle dahinter. Ich seufzte auf, mein gesamter Körper war heiß, als hätte ich Fieber.
    „Ich wünschte so sehr, ich könnte mich erinnern. An irgendetwas. An ein Detail ihres Gesichtes, ihre Augenfarbe oder den Klang ihrer Stimme, aber da ist nichts. Als hätte es sie nie gegeben.“
    „Was sagt dein Vater?“, fragte ich.
    „Er weigert sich, darüber zu sprechen. Immer wieder beteuert er, Mutter sei bei einem Feuer ums Leben gekommen und das mit dem Ring sei eine besessene Idee von mir.“
    Ich spürte die Wut, die in ihm brodelte, aber er hatte sich gut im Griff.
    „Es tut mir so leid, Alexei. Ich hoffe, dass du eines Tages die Wahrheit herausfinden wirst.“
    Er lächelte dankbar. „Und was wolltest du mir sagen?“
    Ich zögerte und nestelte am Bezug des Sofas herum.
    „Wegen Tom.“ Es fiel mir schwer, dieses Thema anzusprechen. Er würde mich ganz sicher für verrückt halten. „Ich möchte, dass du verstehst, warum er so handelt. Wir kennen uns seit der Schule, er ist mein bester Freund.“
    „Was ist mit ihm geschehen?“ Alexei sah mich fragend an.
    „Er ist vor einiger Zeit unfreiwillig Zeuge eines Mordes geworden. Ich weiß nicht, wie und warum, aber seitdem glaubt er felsenfest an Vampire und versucht alles, um ihre Existenz zu beweisen. Er hat einen Schock erlitten. Es ist furchtbar und er tut mir einerseits leid, aber ich bin auch wütend auf ihn, weil er sich nicht helfen lässt.“
    Alexei blickte ernst, aber als er meinen Blick streifte, wechselte sein Ausdruck zu Nachdenklichkeit. „Und seitdem sieht er überall Vampire ?“
    Ich nickte. „Er treibt sich in düsteren Gegenden herum, auf der Suche nach ihnen, stöbert auf Internetseiten, bis er eben neulich geglaubt hat, in dir einen der Vampire von damals zu erkennen.“
    Ich studierte sein Gesicht, seine Reaktion. Alexei sah weiterhin gelassen aus

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