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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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sich krächzend.
    »Papa, hier ist die Gerti. Wir sind wieder da!« Ich musste schreien, weil mein Vater inzwischen fast taub war. Ich sah wieder vor mir, wie Sieglinde damals mit ihrem Baby vor der Tür gestanden war: »Papa, wir sind wieder da!« Wie er sie mit dem Schürhaken aus dem Haus geprügelt hatte. Aber ich hatte auch nicht vergessen, wie er mich vor der Familie Schratt gerettet, mich zu Tante Emmi gebracht und mir dabei versichert hatte, dass er mich liebe und er und meine Mutter von nun an immer für mich da seien.
    »Gerti! Was hat das zu bedeuten?«
    »Wir sind geflüchtet«, brach es aus mir heraus, und dann erzählte ich meinem Vater schluchzend, was uns in Afrika widerfahren war.
    Ich sah, wie Walter fröstelnd von einem Bein aufs andere trat und immer wieder auf die Uhr sah, während er nervös eine Zigarette rauchte.
    »Aber ihr dürft niemandem sagen, dass wir wieder da sind, erst recht nicht den Schwiegereltern«, bedrängte ich meinen Vater. »Die stehen sicherlich mit Leo in Verbindung!«
    Inzwischen hatte meine Mutter den Hörer an sich gerissen.
    »Die mussten ihr Haus verlassen und leben jetzt in einem Altersheim«, weihte sie mich ein. »Von Sozialhilfe. Das stand in der Zeitung: Die Eltern vom Kohle-Wolf nagen am Hungertuch. Papa und ich sind froh, dass es mit uns noch nicht so weit gekommen ist! Wir ackern noch Tag und Nacht!«
    O Gott, was hatte Leo angerichtet! Wie viele geplatzte Träume hatte er auf dem Gewissen?
    »Aber Gerti, du und unsere Enkel sollen nicht hungern müssen – nie mehr!«, schluchzte meine Mutter.
    »Mädle, ich kann dir noch mal fünftausend Mark geben«, hörte ich meinen Vater dazwischenrufen. »Das Grundstück am Bach, auf dem die Apfelbäume stehen. Ein Bauer aus dem Dorf will es haben, und ich habe immer Nein gesagt, weil es unsere letzte Altersversorgung ist, aber … «
    »Und das würdest du wirklich für mich tun, Papa?« Heftiges Schluchzen schüttelte mich. »Papa, ich schäme mich so … «
    »Es ist doch für unsere Enkel, die Mama sieht das genauso.« Meinem Vater brach die Stimme. »Weißt, Mädle, wir sind einfach nur froh, dass du wieder da bisch.«
    »Papa, ich werde mir hier sofort eine Arbeit suchen, und dann werde ich Tag und Nacht schuften und es dir auf Heller und Pfennig zurückzahlen … «
    »Ist ja gut, Kind. Wenn eine arbeiten kann bis zum Umfallen, dann du.«
    »Gerti? Bist du das?«
    Die Verkäuferin bei Quelle starrte mich über ihren Brillenrand fassungslos an.
    »Du bist ja noch viel dünner geworden … aber dafür tiefbraun! Warst du in Urlaub?«
    »Ja, Bettina, ich bin’s.« Beziehungsweise das, was von mir übrig ist, dachte ich beschämt. Ich war ein Nichts. Ein Niemand. Eine Obdachlose, die von Almosen ihrer Freunde lebte. Und die allen Ernstes auf dem Wochenmarkt Reste aufgesammelt hatte.
    Bettina Serkenstiel kannte ich noch aus guten alten Zeiten. Ihre Kinder hatten mit meinen Jungs in der Krabbelgruppe gespielt. Sie saß im wahrsten Sinne des Wortes an der Quelle.
    »Frau Serkenstiel, bitte die NEUN !«, hallte es durch das Kaufhaus.
    Bettina missachtete die Lautsprecherdurchsage und beugte sich neugierig vor.
    »Wie ist es dir ergangen? Stimmt, du bist doch nach Afrika ausgewandert?« Sie zog mich in eine ruhige Ecke. Wir sanken auf die Wartebank vor den Umkleidekabinen. »Wenn ich ehrlich sein soll: Du siehst entsetzlich aus!« Bettina musterte mich besorgt.
    »So fühle ich mich auch, Bettina!« Schon wieder kämpfte ich mit den Tränen vor Scham. Kurz und knapp erklärte ich meiner früheren Freundin, was sich zugetragen hatte.
    »Immerhin habe ich Bernd und Thomas sofort in Schwendingen eingeschult«, seufzte ich. »Sie sitzen schon in der Schule, haben aber keine Klamotten, nichts, keine Schulsachen, keine Bücher … Außerdem sind es acht Kilometer vom Haus meiner Freunde, bei denen wir vorerst untergekommen sind … Sie brauchen ein Fahrrad…«
    Bettina sah mich mitleidig an. »Mannomann, ich habe noch nie was von deinem Kohle-Wolf gehalten«, entfuhr es ihr. »Viele der anderen Krabbelgruppenmütter haben dich um den beneidet, weil der so toll aussah und Geld hatte, aber ich … « Vehement schüttelte sie ihre rote Lockenpracht.
    »Ein Fahrrad?«, kam ich auf den Grund meines Besuchs zurück.
    »Du kannst bei mir anschreiben lassen«, sagte Bettina hilfsbereit. »Kein Problem. Such dir zwei Räder aus.«
    Schon zog sie mich am Ärmel hinter sich her und stellte zwei komplette Schulausrüstungen zusammen. Ich
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