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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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den Jungs bohrte, dübelte und Schränke aufbaute. Mit seiner Bohrmaschine tauchte er nach Feierabend und an den Wochenenden regelmäßig bei uns auf, und ich beglückte wieder alle mit meinen berühmten Schnittchen.
    Es ging uns viel schneller wieder gut als befürchtet. Mein Vater hatte tatsächlich sofort sein letztes Grundstück zu Geld gemacht, sodass ich mithilfe dieser fünftausend Mark die nötigen Einrichtungsgegenstände kaufen konnte.
    »Die Kinder brauchen doch jedes ein eigenes Zimmer, so wie früher«, hatte mein Vater gesagt. Ich fand das so rührend, dass ich weinen musste.
    Wie anders war er nun als Großvater! Ich hatte damals nicht nur kein eigenes Zimmer gehabt, ich hatte auch kein eigenes Bett, keinen Platz am Tisch und keine eigenen Schuhe besessen! Aber meine Kinder sollten es besser haben.
    Es brach mir das Herz, dass meine Eltern wegen dieser Afrikageschichte ihre Landwirtschaft aufgeben mussten, aber sie trösteten mich mit den Worten, dass sie froh und glücklich über unsere gesunde Rückkehr seien und ihnen damit auch eine große Last genommen sei: Die Landwirtschaft sei letztlich eine ziemliche Plackerei gewesen, beide Eltern sehnten sich nach einem bescheidenen Rentnerdasein. Sie zogen sich in ihr winziges Häuschen zurück und freuten sich darüber, dass sie uns einen Neuanfang ermöglichen konnten.
    Zu meiner unglaublichen Freude kam nach Monaten mein ganzer Schmuck per Post aus Südwestafrika. Die Farmersleute Willem und Carola hatten Wort gehalten! Ich verkaufte ihn ohne jede Reue – im Gegenteil! Von dem Geld konnte ich wesentlich nützlichere Dinge kaufen. Zu Tränen gerührt war ich, als in einem riesengroßen Paket unsere Federbetten aus Windhoek kamen! Meine Freundinnen hatten sie liebevoll verpackt und dazugeschrieben, dass wir im kalten Deutschland bestimmt warme Gänsedaunen brauchen könnten.
    Über Leo verloren sie kein einziges Wort.
    Ich war froh, dass ich es geschafft hatte. Ich war frei. Ich war selbstständig. Ich war glücklich. Ende gut, alles gut – dachte ich.

26
    »Schon wieder dieses Tatütata!«, bemerkte eines Tages Ralf Meerkötter, mein Chef im Kindermodengeschäft. »Man kann sich ja gar nicht konzentrieren! Frau Wolf, machen Sie das hier mit den Kinderpullöverchen?«
    »Ja, gern.« Sofort zog ich mir die Leiter heran, um die neu angekommene Ware nach Größen und Farben sortiert in die oberen Regale zu falten. »Der Laden liegt halt in einer belebten Gegend«, sagte ich und sah auf die Spiegelglatze meines Chefs herunter. »Unser deutsches Martinshorn habe ich in Windhoek fast schon vermisst.«
    »Dort haben die Unfallwagen wahrscheinlich einen ganz anderen Ton«, murmelte Ralf Meerkötter, der inzwischen schon wieder in seine Abrechnung vertieft war.
    »Ja, das stimmt. Mehr so ein Jaulen, und hier ist es ein bestimmtes Tonintervall.«
    »Eine Quart, Frau Wolf. Eine Quart.« Ralf Meerkötter war im Männergesangsverein und kannte sich mit solchen Sachen aus. Geduldig kontrollierte er die Lieferscheine. »Hatten wir die Strickpullunder bis Größe 164 oder bis Größe 170?«
    »Moment, ich schau mal nach…« Vorsichtig zog ich die Leiter zwei Regale weiter… »Nein, nur bis 164. Soll ich nachbestellen?«
    »Schon wieder das Martinshorn!« Ralf Meerkötter richtete sich auf und spähte aus dem Fenster. »Gerade ist der Unfallwagen noch in Richtung Krankenhaus gefahren, und jetzt rast er wieder zurück. Das hat nichts Gutes zu bedeuten.«
    »Die Mädchenhosen mit den aufgenähten Taschen … Auf den Bügel hängen oder ins Regal falten?«
    »Bügel«, sagte Herr Meerkötter zerstreut. »Nehmen Sie die kleinen Plastikbügel, im Lager ist noch eine ganze Kiste davon.«
    »Was hat es denn zu bedeuten?« Eine Kinderhose unters Kinn geklemmt, sah ich meinen Chef fragend an.
    »Na ja, das bedeutet, dass der Unfall so schwer war, dass sie den Fall in Reutlingen nicht behandeln können. Jetzt fahren sie den armen Teufel nach Tübingen in die Unfallklinik.«
    »Oh.« Betroffen kletterte ich von der Leiter und suchte im Lager nach den Plastikbügeln.
    »Ich kann mir gar nicht vorstellen, was hier Schlimmes passieren kann.«
    »Na ja, ne Schießerei wie bei Ihnen in Windhoek können wir wohl ausschließen«, murmelte Ralf Meerkötter. »Das muss ein grässlicher Autounfall gewesen sein.«
    »Oder vielleicht ein Herzinfarkt?« Mit den Plastikbügeln bewaffnet, starrte ich nun auch aus dem Fenster. Der Unfallwagen raste mit gefühlten zweihundert Stundenkilometern
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