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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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Freunde mir bereits einen Anwalttermin gemacht.
    »Du musst sofort die Scheidung einreichen, das ist der wichtigste Schritt! Und beantrage sofort das alleinige Sorgerecht!« 1976 galt noch das Schuldprinzip.
    Während die Kinder unter Gittas Obhut schliefen, brachte mich Walter zum Anwalt. Müdigkeit und Erschöpfung steckten mir noch in den Gliedern, und ich hatte keinen Bissen runtergebracht vor Aufregung, aber diese wichtigen Formalitäten duldeten keinen Aufschub.
    Dr. Edmund Werner, ein netter älterer Herr, der mich noch aus meinen Kaltmamsell-Zeiten kannte, bekräftigte Walters Tipps und gab mir den gut gemeinten Rat, sofort Sozialhilfe zu beantragen. Je öffentlicher ich unsere Situation machte, umso mehr Zeugen hätte ich im Ernstfall auf meiner Seite. Dr. Werner sagte, er sei gern bereit, meine Scheidung zu übernehmen – mit Kohle-Wolf habe er ohnehin noch ein Hühnchen zu rupfen – , aber einen vierstelligen Vorschuss brauche er schon. Mir wurde ganz anders. Woher sollte ich bloß so viel Geld nehmen?
    Auf dem Sozialamt saß eine Frau mit grauem Dutt, die mich verächtlich musterte.
    »Sie sind also ein Flüchtling?«
    »Ja, wenn man so will … «
    »Aus welchem Land sind Sie denn geflüchtet?«
    »Aus Südwestafrika, aus Windhoek. Das ist Kriegsgebiet. Ich besitze nur das, was ich am Leib trage.« Und schon das war übertrieben: Der Anorak, die Mütze und der Schal gehörten Gitta.
    »Oh. Ja, dann herzlich willkommen.« Die Frau musterte mich irritiert. Schließlich sprach ich mit schwäbischem Akzent, genau wie sie. »Wir haben hier ein Standard-Willkommensgeschenk für alle Flüchtlinge, egal aus welchem Kriegsgebiet sie kommen.«
    Sie griff in eine Schublade und überreichte mir gönnerhaft zwei riesige Metalllöffel. »So, bitte schön. Willkommen im schönen Reutlingen.«
    »Ähm … was soll ich damit?« Ratlos drehte ich die Dinger hin und her.
    »Kochen?«, schlug die Frau vor, die sehr zufrieden über ihr perfektes Willkommensgeschenk zu sein schien.
    »Ich glaube, Sie verstehen die Situation nicht ganz«, unternahm ich einen Erklärungsversuch. »Wir sind … mittellos. Komplett mittellos. Wir haben nichts zum Kochen.« Ich schüttelte meine Handtasche, in der sich noch ein paar Sandkörner aus unserem Garten befanden. »Ich habe kein Geld. Nicht einen Groschen. Und ich habe zwei Kinder, vierzehn und elf. Die schlafen gerade bei Freunden auf dem Sofa.«
    »Dann gebe ich Ihnen einen guten Tipp!« Die Frau sah mich an, als würde sie mir ein wichtiges Geheimnis verraten. »Gehen Sie zum Wochenmarkt, und warten Sie, bis die Stände abgebaut werden.«
    Sie sah auf die Wanduhr in ihrem Büro. »Sie haben Glück! Zwei Uhr! Da dürfen Sie alles, was am Boden liegt, aufsammeln und mitnehmen!«
    Walter und ich sahen uns fassungslos an. Wollte sie uns auf den Arm nehmen?
    »Und das ist alles, was Sie Frauen in Notsituationen anbieten?«, polterte Walter. »Zwei Kochlöffel und den Rat, Essensreste vom Boden aufzusammeln?«
    »Das ist unser Standardprogramm für Flüchtlinge«, verteidigte sich die Beamtin beleidigt. »Ich finde, damit können Sie sehr zufrieden sein! Wo gibt es denn Lebensmittel im Überfluss?«
    Walter regte sich immer mehr auf, aber ich zog den Empörten aus dem Rathaus.
    »Walter, es fällt mir unglaublich schwer, das zu fragen, aber könntet ihr mir nur für den Anfang … ?«
    »Du meinst, Geld leihen?«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Der Anwalt wollte mindestens tausend Mark Vorschuss, und ich musste ja auch was zu essen kaufen! Von Wohnung, Miete und Kleidung ganz zu schweigen! Tränen der Mutlosigkeit standen mir in den Augen.
    Tapfer blinzelte ich sie weg.
    »Mein liebes Mädchen«, sagte Walter und legte mir die Hände auf die Schultern. »Wir sind deine Freunde, Gitta und ich. Wir tun alles für dich. Nur Geld haben wir selbst keines. Und wie heißt es so schön? Geld verdirbt die Freundschaft.«
    Er zeigte auf eine gelbe Telefonzelle, die vor dem Rathaus stand. »Ich gebe dir jetzt zwanzig Pfennig, und du rufst deine Eltern an.«
    »Meine … Eltern ?« Hatte Walter schon vergessen, dass sie bereits ihr einziges brauchbares Grundstück verkauft hatten, um meine Umzugskosten zu bezahlen? Ich konnte sie unmöglich noch einmal um Geld bitten! Vorher würde ich … ja was? Auf den Strich gehen? Wie tief sollte ich denn noch sinken?
    Wie ein geprügelter Hund nahm ich die zwei Groschen von Walter entgegen und wählte die Nummer meiner Eltern. Mein Vater hob ab und meldete
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