Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
heimliches Juchzen nicht unterdrücken.
Leo staffierte mich mit den schönsten Kleidern und dem teuersten Schmuck aus. Manchmal fühlte ich mich wie die First Lady von Reutlingen. Ich konnte mein Glück nicht fassen.
Unser Bernd wurde 1962 geboren, Thomas 1965. Jetzt war unser Familienglück perfekt. Ich konnte zwar wegen meines fehlenden Busens nicht stillen, aber das war auch das einzige Handicap. Beide wurden problemlos mit der Flasche großgezogen. Ich war eine hingebungsvolle Mutter und schenkte meinen kleinen Söhnen die ganze Liebe, die ich selbst nie bekommen hatte. Ich vergötterte meine Kinder, las ihnen jeden Wunsch von den Augen ab. Während Leo eher dafür sorgte, dass es ihnen materiell an nichts mangelte, verbrachte ich meine gesamte Zeit damit, mit ihnen spazieren zu gehen, zu spielen, zu singen und zu schmusen. Sie waren mein ganzer Stolz, meine Aufgabe im Leben. Ich richtete ihre Kinderzimmer fantasievoll ein, hielt alles perfekt in Schuss. Damals war alles grellbunt gemustert, von der Tapete über die Bettbezüge bis hin zu den Schlafanzügen. Meine Jungs waren modisch immer ganz vorn dabei. Wir waren ja auch eine Vorzeige-Familie. Ich brachte sie zur Bastelgruppe, zum Kindergarten und überschüttete sie mit Lob und Zuwendung. Für jeden Schritt, den sie lernten, für jedes neue Wort belohnte ich sie mit Beifall. Sie sollten selbstbewusst durchs Leben gehen. Ich wollte ihnen das Rückgrat stärken, so gut ich konnte. Natürlich bekamen sie nur das feinste Essen, stets frisch zubereitet, liebevoll püriert, später die köstlichsten Häppchen, mundgerecht zubereitet. Die Wurst auf ihrem Brot hatte ein lustiges Gesicht, die Gürkchen bildeten Schiffchen, jede Nachspeise wurde verziert und dekoriert. Das Essen sollte für die Kinder Genuss sein, wie das ganze Leben. All diese Dinge hatte ich als Kind nie erfahren dürfen, weshalb ich unsere Söhne und natürlich auch Leo nach Strich und Faden verwöhnte. Schließlich verwöhnte Leo auch mich – wenn auch auf seine Weise. Für ihn stand mehr und mehr das Materielle im Vordergrund. Es war ihm wichtig, nach außen hin etwas zu gelten. Längst fuhr er eine schnittige Luxuskarosse mit dem Kennzeichen KW –1000 , für »Kohle-Wolf«. Das war sein Spitzname in der Stadt, den er sich, wie er oft stolz erzählte, hart erarbeitet hatte. Kohle-Wolf verdiente am Tag tausend Mark. Mindestens. Durch geschickt eingefädelte Anlagegeschäfte fiel für Leo immer eine fette Provision ab. Längst hatte man ihn in die Sparkassenfiliale nach Pfullingen versetzt, wo er als jüngster Sparkassenleiter hohes Ansehen genoss. Er sah gut aus, hatte Charisma und galt als eine Art Guru unter den Geldanlegern und Spekulanten. »Kohle-Wolf ist der Geheimtipp für Reichtum«, hieß es unter der Hand. Wer seine Kohle sichern will, gibt sie dem Wolf. Leo wurde fülliger, der Wohlstand und mein gutes Essen waren ihm auch im Gesicht anzusehen. Ein kleines Doppelkinn hatte sich gebildet, und seine Wangen waren rundlicher geworden. Seine Koteletten hatten ein weiches Grau angenommen, aber nach wie vor sah man das Grübchen am Kinn, das ihn dennoch markig und männlich erscheinen ließ. Seine Stimme war lauter geworden, herrischer, bestimmter. Wenn er nach Hause kam, griff er als Erstes zum Whiskeyglas und zu seinen Zigaretten, ließ sich hinter seinen Schreibtisch sinken und telefonierte mit seinen Anlegern.
Ich brachte schnell die Kinder zu Bett, damit Leo seine Ruhe hatte. Ihm den Rücken freizuhalten war meine Aufgabe als Ehefrau, und ich erfüllte sie voller Pflichtgefühl.
Das waren die Spielregeln. Das war mir von Anfang an klar gewesen. Ich stellte sie nicht infrage. Im Gegenteil, ich war dankbar, dass ich meinen Part so perfekt gestalten durfte. Was wäre sonst aus mir geworden? Darüber wollte ich lieber gar nicht nachdenken. Außerdem kam ich überhaupt nicht zu kurz! Ich hatte doch Walter und Ursula! Der Plan war aufgegangen: Die Schwiegereltern betrieben zwar nach wie vor das Lotteriegeschäft; nach Feierabend und an den Wochenenden stürzten sie sich aber verliebt auf ihre süßen Enkel, sodass ich mich um mich selbst kümmern konnte: Friseur, Shopping, Maniküre, Pediküre, das volle Programm. Leo war stolz auf meine elegante, gepflegte Erscheinung und ließ es nie an großzügigen Geschenken fehlen. Er überhäufte mich mit Schmuck, Pelzen und schönen Kleidern.
So vergingen unsere Anfangsjahre als junge Familie. Meine einzige Sorge war tatsächlich mein nicht
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