Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Champagner unter seinem Jackett hervor. »Für die Beste nur vom Besten!«
In diesem Moment gewann er so richtig mein Herz. Er war der Prinz, der Aschenputtel erlöste!
Kurz darauf ertönten unsere Gläser. Tante Emmi hatte extra die kostbaren Kristallgläser aus der Vitrine geholt, streng bewacht vom ernst dreinschauenden Onkel Justus in seinem Rahmen mit Trauerflor.
»Wenn du diesem Kind auch nur ein Haar krümmst, bekommst du es mit mir zu tun!« Tante Emmi setzte ihren gestrengen Lehrerinnenblick auf, und Leo schüttelte nur den Kopf, als müsste er gleich lachen.
»Nie, das verspreche ich hiermit feierlich!« Leo strahlte uns beide an. »Ich habe große Pläne und möchte Gerti die Welt zu Füßen legen.« Er zeigte der erstaunten Tante Emmi seinen neuen Arbeitsvertrag, redete von Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Bausparzulage und Dingen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Währenddessen wanderte Tante Emmis Blick immer wieder prüfend zu mir, die ich glücklich und champagnertrunken in meiner Ecke saß und mich ungläubig in dieser Wohnküche umsah. Hier war ich vor vier Jahren verhungert, verfroren, mit offenen, eiternden Wunden an den Händen aufgetaucht, heimatlos wie ein herrenloser Hund. In Begleitung meines armen gehörlosen Vaters, der mich zu Fuß über die Landstraße hierhergeschleppt hatte. Und jetzt schlürfte ich Champagner mit meinem gut aussehenden Verlobten, der meiner Tante etwas von geplanten Neubausiedlungen am Stadtrand erzählte, von Führerschein und Zweitwagen und davon, dass ich nie wieder arbeiten müsse. Nur ein paar Kinderchen wollte er mit mir haben.
Tante Emmi zog die Augenbrauen hoch und musterte mich wie einen zarten Schmetterling.
»Willst du das alles wirklich auch, Kind? Du hast doch noch so viel Zeit!«
»Tante Emmi, ich kann mir nichts Schöneres vorstellen!«
Jetzt gehörte ich zur gutbürgerlichen Mittelschicht. Ein unvorstellbarer Traum war in Erfüllung gegangen.
Tante Emmi konnte anscheinend Gedanken lesen.
»Dann will ich dir meinen Segen geben«, sagte sie leise. »Und deine Eltern werden es auch tun.«
Leos Eltern Ursula und Walter fanden zwar auch, dass ich noch zu jung zum Heiraten sei, waren aber äußerst angetan von dem Gedanken, mich zur Schwiegertochter zu bekommen. Ich gehörte wirklich längst zur Familie. Ich kannte jede Gewohnheit der Wolfs, hatte mich in ihren Alltag eingefügt, war für gut befunden worden. Sie hatten keine Geheimnisse vor mir und ich vor ihnen natürlich auch nicht.
Abends saßen wir in der von mir aufgeräumten Altbauwohnung bei Schnittchen und Bier zusammen und planten unsere Zukunft in allen Details.
»Wo wollt ihr wohnen? Hier wird es für alle zu eng! Wir hoffen doch, dass ihr uns bald einen Enkel schenkt?«
»Passt auf!« Leo zog schon einen Bauplan samt Finanzierungsplan aus der Tasche und breitete ihn auf dem Wohnzimmertisch aus.
»Schaut, ich will ein Zweifamilienhaus in der Neubausiedlung am Stadtrand kaufen, in das ihr natürlich mit einziehen werdet!« Er lächelte uns alle entspannt an. »Mit eurer finanziellen Unterstützung plus einem zinsgünstigen Darlehen, das ich von meiner Sparkasse bekomme – da muss ich mir nur selbst eine Unterschrift geben, hahaha! –, ist das gar kein Problem.« Er zog ein Augenlid nach unten und grinste spitzbübisch. »Gewusst wie! Ihr wohnt unten und wir oben. Wenn wir Kinder bekommen, haben wir alle was davon und helfen uns gegenseitig. Na, was sagt ihr?«
Wir waren platt. Der liebe Leo hatte nichts dem Zufall überlassen. Alle seine Argumente waren hieb- und stichfest. Für einen Zweiundzwanzigjährigen war Leo enorm reif und argumentierte geradezu konservativ.
Walter räusperte sich und zündete sich umständlich eine Zigarette an.
»Wenn Mutti und ich euch … Also gesetzt den Fall, wir würden euch … Sagen wir mal…« Er wechselte einen fragenden Blick mit seiner Frau, die unwillkürlich nickte. »Zweihunderttausend Mark für euren Hausbau geben, dann hätten wir dort doch sicherlich lebenslanges Wohnrecht?«
Ich stieß hörbar Luft aus. Zweihunderttausend Mark! Von solchen Unsummen war hier die Rede! Und das alles wegen … mir? Der kleinen schmalbrüstigen Gerti? Ein jähes Glücksgefühl erfasste mich. Ich war kostbar! Ich war etwas wert!
Leo schnaufte vor Ungeduld. »Aber natürlich, Papa, was denkst denn du! Dann könnt ihr euch nach und nach aufs Altenteil setzen, ohne euch Sorgen machen zu müssen!«
Mein gutmütiger zukünftiger Schwiegervater zog
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