Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
nachdenklich an seiner Zigarette.
»Nun, das wäre unsere komplette Altersvorsorge. Wir haben sie in eine Lebensversicherung gesteckt, die wir für das Haus kündigen müssten!«
»Aber überlegt doch mal!« Leo sprang auf und ging in großen Schritten im Wohnzimmer auf und ab. »Was wollt ihr denn später in einem Altersheim, da könnt ihr euer Geld auch nicht mehr ausgeben! Da ist es doch viel sinnvoller, mit Gerti und mir unter einem Dach zu leben, unsere Kinder aufwachsen zu sehen, und später kann Gerti euch pflegen!« Er sah mich auffordernd an. »Was, Gerti? Ist doch so!«
»Ja, klar«, sagte ich wie aus der Pistole geschossen. Diese Menschen waren so lieb und gütig zu mir gewesen, hatten mich aufgenommen wie eine Tochter – sie waren die liebsten Schwiegereltern, die ich mir wünschen konnte. Fast waren sie der Hauptgrund, dass ich Leo heiratete! Bei ihnen fühlte ich mich einfach geborgen. Bei ihnen würde mir kein Haar gekrümmt werden, das wusste ich einfach.
Walters und Ursulas Gesichtszüge wurden immer weicher, und auf beiden Gesichtern breitete sich ein sonniges Strahlen aus.
»Ja, wenn das so ist, geben wir unseren Anteil gerne dazu!« Walter Wolf erhob sich feierlich und breitete überschwänglich die Arme aus. »Willkommen in unserer Familie, liebe Gerti!«
Ich ließ mich glücklich an die schwiegerväterliche Brust sinken. »Danke«, stammelte ich gerührt. »Danke für euer Vertrauen! Ich werde Leo ganz bestimmt glücklich machen!«
Wir vier fielen uns erleichtert und glücklich in die Arme.
Wir schrieben das Jahr1961 , und ich war inzwischen Frau Wolf. Unser neu gebautes Zweifamilienhaus war großzügig ausgestattet, modern eingerichtet, lichtdurchflutet, mit riesigen Panoramafenstern in Richtung Süden. Ich hatte mir alle Möbel, Teppiche und Tapeten selbst aussuchen dürfen, und es machte mir einen Riesenspaß, unser Heim gestalten zu dürfen. Jedes moderne Haushaltsgerät durfte ich bestellen, und natürlich hatten wir auch einen Fernseher, der wie ein Altar mitten im Raum stand, eingerahmt von weichen hellbeigen Ledersofas. Eine gut ausgestattete Bar war in die Wand integriert, damit wir auch Gäste bewirten konnten. Meine moderne Einbauküche ließ nichts vermissen, was ein Hausfrauenherz begehrte. Schließlich waren meine Kochkünste inzwischen stadtbekannt. Leo hatte weder Kosten noch Mühen gescheut, denn letztlich sollte unsere Villa auch Repräsentationszwecke erfüllen. Hier sollten wichtige Geschäftskontakte geknüpft werden. Mein lieber Ehemann, der jüngste, ehrgeizigste und erfolgreichste Sparkassendirektor Schwabens, legte großen Wert darauf, in besseren Kreisen zu verkehren. Und so gaben sich bei uns schon bald Generaldirektoren, Firmenbesitzer, Bauherren, Ärzte und Architekten, die ihr Geld erfolgreich bei Leo anlegten, die Klinke in die Hand. Samt ihrer eleganten Gattinnen kamen sie zu uns zum Dinner oder zu Tanzpartys, und es machte mir große Freude, immer wieder neue Köstlichkeiten auf den Tisch zu zaubern. Meine Schwiegereltern, die durch ihr Lotteriegeschäft ebenfalls stadtbekannt waren, stießen häufig dazu, und ich musste mich immer wieder in den Arm kneifen, wenn ich mich als souveräne Gastgeberin an der Seite meines charmanten Gatten agieren sah: War das dieselbe verschüchterte Gerti, die vor ein paar Jahren noch geschlagen und gedemütigt worden war, die als Kind zur verachteten Unterschicht gehört und bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr keine eigenen Schuhe besessen hatte? Heute besaß ich einen ganzen Schuhschrank voller Riemchensandaletten, Pumps und schicker Lederstiefel, in denen ich mich leichtfüßig bewegte.
Damals kam das Magermodel Twiggy in Mode, und meine knabenhafte Figur entsprach genau dem gängigen Schönheitsideal. Leo war stolz darauf, dass seine Frau Größe vierunddreißig hatte. In einer Zeit, als längst viele über Speckröllchen hier und Fettpölsterchen da zu klagen hatten und so manche Dame in ihrem karierten Kleid mit Gürtel aussah wie eine Leberwurst, beherrschte ich den Drahtseilakt bravourös, der da lautete: üppige Mahlzeiten servieren, dass sich der Tisch biegt, aber dabei kein Gramm Fett auf den Rippen haben. Hinzu kam, dass Leo und ich begeisterte Tänzer waren. Auf jedem Bankett, auf jedem Ball und auf jedem städtischen Empfang waren wir ein gern gesehenes Paar. Wenn ich im Walzertakt in Leos Armen dahinschwebte und aus dem Augenwinkel die bewundernden Blicke der anderen Gäste wahrnahm, konnte ich ein
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