Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
den Hals. »In vier Wochen seht ihr den Papa!«
»Aber vorher werden Sie noch viel Spaß haben!«, bemerkte ein bärtiger Mann mit Goldkettchen, der unseren Freudentanz amüsiert beobachtet hatte. Er trug eine Art Hawaiihemd, dazu weite orangefarbene Shorts. »Sie sind wohl das erste Mal an Bord?«
»Ja! Ist das alles aufregend! Oh, wo darf man hier eigentlich rauchen?«
Sofort klickte ein goldenes Feuerzeug vor meiner Nase. »Bitte, schöne Frau!«
»Danke. Ich bin immer noch ganz durcheinander … «
»Das sind alle am Anfang.« Er lachte ein bassiges Lachen. »Ich bin ein Repeater.«
Repeater? Was war das? Mein Englisch war so gut wie nicht vorhanden.
»Ich bin gewissermaßen Wiederholungstäter«, sagte der lässig gekleidete Mann lachend, als er mein ratloses Gesicht sah. »Ich fahre oft mit der MS Europa !«
»Oh! Wie schön für Sie.« Wenn er sich’s leisten konnte …
Das war natürlich eine interessante Bekanntschaft: Jemand, der sich auf dem Schiff auskannte.
Die Stewardess, die uns persönlich betreute, nahm die aufgeregten Jungs gleich mit. »Für die Kinder gibt es ein eigenes Programm! Machen Sie sich keine Sorgen!«
»Ich bin Elmar«, stellte sich der Bärtige vor. »Sollen wir uns duzen?«
»Ich weiß nicht … « Verunsichert sah ich mich um. Das ging mir dann doch alles ein bisschen schnell. Die anderen Passagiere lehnten rauchend und lachend an der Reling und hielten einen Drink in der Hand, genau wie in dem Hochglanzprospekt! Und schon hatte ich einen Kavalier an meiner Seite, fast wie im Film!
»Du hast wunderschöne Augen«, lautete dann auch Elmars Text. »Und wie heißt du?«
»Ähm, Gerti. Tja, hallo.« Wir gaben uns die Hand.
Elmar hatte rotblond behaarte Arme, wie ich fasziniert feststellte.
»Gerti. Welch schöner Name! Er passt zu dir.« Elmar schien auf Anhieb von mir begeistert zu sein. Dass Gerti ein schöner Name sein sollte, war mir neu. Elmar war ja auch nicht gerade der Brüller. Sieglinde und Gertrude, so hatten meine Eltern ihre Töchter genannt. Beides hörte sich altbacken an. Nur dass Sieglinde jetzt frustriert und übergewichtig in einer Bäckerei schuftete, ich, die schnelle Gerti, schlank und rank an der Reling eines Luxuskreuzers stand und mit einem fremden Vielreisenden flirtete! Fast musste ich kichern. Das Leben konnte schon ungerecht sein!
»Was lachst du?« Elmar stupste mich fast ein wenig zu vertraulich in die Rippen.
»Ich freue mich einfach, dass ich an Bord bin, und dass alle so nett sind … «
»Oh, du musst unbedingt noch meine beiden Kumpel kennenlernen! Wir sind die besten Tänzer und die witzigsten Reisebegleiter, die eine Frau sich wünschen kann!«
Nun gut. Das wollte ich gerne glauben.
Wie sich bald herausstellte, waren auch Peter und Rudolf, die beiden viel besungenen Kumpel, auf der Stelle begeistert von mir. Zugegeben, es waren überwiegend ältere bis steinalte Passagiere an Bord. Gegen die war ich mit meinen sechsunddreißig Jahren ein Teenager, ein junger Hüpfer. Meine Lebensfreude und Begeisterung, mein kindliches Staunen und meine knabenhafte Figur waren auf dem ganzen Schiff kein zweites Mal zu finden. Beim Treffen der Alleinreisenden spürte ich die Blicke der älteren Damen wie Dolche im Rücken, weil Elmar, Peter und Rudi nur um mich herumscharwenzelten und sich darum rissen, mir einen Drink nach dem anderen zu spendieren. Ich musste mich immer wieder in den Arm kneifen, um sicherzugehen, dass ich das alles nicht träumte. Gleich würde ich als Dienstmädchen in einer klammen Kammer aufwachen und wissen, dass ich vor Hunger halluziniert hatte!
Aber ich halluzinierte nicht.
Als die Bordkapelle eine Polka spielte, zogen mich gleich alle drei Kavaliere auf die Tanzfläche, und ich wirbelte von einem zum anderen.
»Einer reicht ihr wohl nicht!«, stichelte eine schmuckbehängte Dicke, die an ihrem Eierlikör schlürfte.
Eine Altjüngferliche mit Kummerfalten nickte böse. »Dabei sind die Gentlemen Hosts doch für alle da!«
Gentlemen Hosts. Repeater. Das waren alles Insiderbegriffe, die ich nicht kannte. Aber in diesen vier Wochen Überfahrt würde ich bestimmt noch eine Menge dazulernen.
Ich freute mich unbändig darauf.
Es wurde eine traumhafte Reise. Leo hatte wirklich an alles gedacht: Stets hatten wir frischen Blumenschmuck in der Suite, der indische Butler räumte penibel unsere Sachen auf und hängte sie in den Schrank, unsere Schuhe wurden täglich geputzt. Vor dem Abendessen und während des Ankleidens und
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