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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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liegen.
    Nur jetzt musste ich dringend improvisieren. Wir schrieben das Jahr1975 , und da griff man nicht schnell zum Handy und tippte ein: »Welches Konto? Mach hinne, die Taxiuhr läuft!«
    Auch von Fax oder E-Mail konnte man damals noch träumen.
    Horst Kreutzmann hatte sich mit seinem rollenden Chefsessel diskret vor seinen Aktenschrank verzogen und blätterte nun in einem Ordner, der mit »Immobilie Wolf« beschriftet war. »Lessingweg 27.« Na bitte, ging doch. Das schwiegerelterliche Haus. Also unser Haus.
    »Haus und Herd sind Goldes wert«, scherzte ich verlegen. »Wenn’s denn mal brennt unter den Nägeln.« Ich pustete beiläufig auf meine frisch Manikürten.
    Warum seufzte der denn schon wieder? Und was sollte dieser Hundeblick aus diesen hinreißenden braunen Kreutzmann-Augen?
    »Der Gegenwert der Immobilie im Lessingweg 27 ist mitsamt sämtlicher Guthaben und Wertanlagen des Herrn Koh … des Herrn Wolf, bereits vor neun Monaten nach Südwestafrika transferiert worden.« Horst Kreutzmann wischte sich mit seinem weißen Einstecktüchlein verlegen über die Stirn.
    »Wie … was … « Moment. Was bedeutete das? Leo hatte das Haus … den Gegenwert des Hauses seiner Eltern, die doch lebenslanges Wohnrecht hatten, nach Afrika transferiert?
    Ohne mir etwas davon zu sagen?
    »Ja, aber welche Werte hat er hier hinterlegt?« Vielleicht gab es ein geheimes Bankschließfach im Keller, zu dem Horst Kreutzmann mich nun führen würde? Mit einem Zweit- oder Drittschlüssel würde er ein briefkastenartiges Fach öffnen, aus dem Uhren, Schmuck, Wertpapiere und seltene Goldmünzen quellen würden wie im Märchen. Der samtäugige Kreutzmann wollte mich einfach nur noch ein bisschen aufs Glatteis führen. Um unseren Abschied hinauszuzögern.
    »Frau Wolf, ich bedaure sehr, das sagen zu müssen, und ich wundere mich auch, dass Sie so gar nicht Bescheid wissen, aber … keine.«
    »Wie?«
    »Ja. Keine. Keine Werte. Nicht einen Pfennig.«
    »Aber ich brauche zehntausend Mark!« Verwirrt sah ich mich um. Die Wanduhr tickte unbarmherzig. »Zehntausendzehn Mark«, verbesserte ich mich schnell. »Draußen wartet das Taxi, und die Uhr läuft.«
    Kurz dachte ich an das Lotto-Geschäft, das ja meinen Schwiegereltern gehörte. Aber erstens war es inzwischen an Gitta und Walter verpachtet, und zweitens hätte ich die Schwiegereltern einweihen müssen, und das konnte ich beim besten Willen nicht übers Herz bringen. Ihr Leo-Idealbild würde zusammenbrechen.
    »Da kann ich Ihnen leider gar nicht helfen«, sagte Horst Kreutzmann ehrlich betroffen. »Mir sind die Hände gebunden!«
    »Und einen … ähm … Kredit?«, hüstelte ich verlegen. »Nur so der Form halber?
    »Welche Werte haben Sie denn, der Form halber, anzubieten? Ihren Job haben Sie gekündigt, Ihr Haus ist nicht mehr verfügbar, Ihr … Auto?«
    »Habe ich meinem Schwiegervater geschenkt.« Meine Stimme war nur noch ein heiseres Krächzen.
    »Und wenn Sie ihn einweihen?«
    »Auf keinen Fall!«
    Es würde Walter das Herz brechen, wenn er erführe, was Leo da hinter unserem Rücken getan hatte: Das ganze Familienvermögen nach Afrika transferieren, um dort damit zu spekulieren. Was hatte er sich bloß dabei gedacht! Im schlimmsten Fall würden Ursula und Walter irgendwann auf der Straße stehen. Von den Kindern und mir ganz zu schweigen! Mir blieb die Luft weg. Einen Tag vor der Abreise erfuhr ich das! Was sollte ich denn tun? Ich vertraute ihm doch, liebte ihn, wir wollten neu anfangen!
    Bei sämtlichen Freunden hatte ich mich verabschiedet, ich konnte doch jetzt keinen Rückzieher machen! Unser Hab und Gut schwamm längst Afrika entgegen! Und mir Geld von Freunden leihen? Wie entwürdigend, wie peinlich! Nein, ganz und gar unmöglich! Morgen früh um acht würden Margot und Sepp mit ihrem Kombi im Lessingweg stehen, um uns nach Genua zu fahren! Zur MS Europa , die dort im Hafen auf uns wartete! Ich konnte jetzt nicht das Gesicht verlieren.
    Ein entsetzliches Misstrauen beschlich mich, wie das Pochen eines Weisheitszahns, das man einfach ignoriert, weil man jetzt keine Zeit für Schmerzen hat. Wenn man nicht drauf achtet, wird es schon vergehen. Die Kinder waren vor Aufregung und Reisefieber schon ganz hibbelig. Bis auf unsere drei Koffer besaßen wir nichts mehr in Reutlingen! Ich durfte meinen Zweifeln jetzt nicht nachgeben, auch wenn sie an mir nagten wie ein hungriges Tier.
    Alles wird gut. Die Entscheidung für Afrika ist gefallen, und ich ziehe das jetzt durch. Leo

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