Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
Vom Netzwerk:
im Gesicht.
    Noch nie hatte mich ein Mann geschlagen, und so war ich darauf absolut nicht vorbereitet. Ich verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden. Mahmud hatte nun alle Hemmungen verloren und begann auf mich einzutreten. Er traf mich am ganzen Körper, und ich hatte nicht den Hauch einer Chance, dem etwas entgegenzusetzen. Ich rollte mich zusammen, um mich so gut zu schützen, wie ich konnte.
    Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis er endlich von mir abließ. Die ganze Zeit dachte ich, einen bösen Albtraum zu haben. Aber zugleich wusste ich: Dies war die bittere Realität – mein Freund schlug mich, wendete Gewalt gegen mich an! Und ich hatte es ja sogar eigentlich kommen sehen, dass so etwas früher oder später geschehen würde, ich hatte es nur nicht wahrhaben wollen.
    An den Haaren schleifte Mahmud mich ins Wohnzimmer, wo unser Telefon stand.
    »Du rufst jetzt deine Mutter an und schaltest den Lautsprecher ein, damit ich mithören kann!«, befahl er. »Sag ihr, du hättest nicht auf die Uhr geschaut, als du dort weggefahren bist, und ob sie denn noch wüsste, wann das gewesen sei«, instruierte er mich.
    Völlig verängstigt tat ich, was er von mir verlangte, und hatte kurz darauf meine sehr überraschte Mutter am Apparat. Zum Glück konnte sie sich noch genau erinnern, wann ich abgefahren war, und bestätigte damit, dass ich die Wahrheit gesagt hatte.
    Dank ihrer Aussage beruhigte sich Mahmud allmählich. Ich nutzte die Gelegenheit, auf wackeligen Beinen in unser Badezimmer zu gehen. Ich traute mich zuerst gar nicht, in den Spiegel zu schauen. Als ich mich schließlich doch dazu überwinden konnte, bot sich mir ein Bild des Grauens: Meine Lippe war aufgeplatzt und das Blut rann an meinem Kinn herunter. Über der Augenbraue hatte ich eine Platzwunde, die von einem seiner Fußtritte herrühren musste. Ich war zwar kein Arzt, aber ich war mir sicher, dass sie besser genäht werden sollte. An meinem ganzen Körper gab es nicht eine Stelle, die nicht fürchterlich schmerzte.
    Obwohl ich nah am Wasser gebaut bin, hatte ich komischerweise bis dahin noch keine einzige Träne vergossen. Ich fühlte mich einfach nur wie tot. Alle Gefühle und Regungen waren in mir abgestorben. Im Spiegel sah ich, dass Mahmud mir ins Badezimmer gefolgt war und nun am Türrahmen lehnte. Er war wieder die Ruhe in Person, doch ich sah seiner Miene an, dass er selbst schockiert war über das, was er mir angetan hatte.
    »Schatz, ich liebe dich einfach zu sehr …«, begann er mit kleinlauter Stimme.
    Ich fiel ihm ins Wort.
    »Sag jetzt besser nichts, Mahmud! Nichts, aber auch gar nichts kann das entschuldigen, was gerade passiert ist! Ich werde mir so schnell wie möglich wieder eine eigene Wohnung suchen und hier ausziehen. Ich habe dich über alles geliebt, aber du hast meine Liebe zu dir buchstäblich mit Füßen getreten!«, schleuderte ich ihm mit der letzten mir noch verbliebenen Kraft entgegen.
    Dann ließ ich ihn stehen und rief mir per Telefon ein Taxi, um ins nächste Krankenhaus zu fahren. Sein Angebot, mich zu begleiten, lehnte ich dankend ab.
    In der Klinik angekommen, überlegte ich, was ich den Ärzten sagen sollte, woher meine Verletzungen stammten. Ich schämte mich zu sehr, die Wahrheit preiszugeben – was für ein banales Klischee zu erzählen, dass mein türkischer Freund mich zusammengeschlagen hatte, noch dazu wegen einer absoluten Lappalie! Deshalb entschloss ich mich, ihnen meine Blessuren mit dem obligatorischen Treppensturz zu erklären.
    »Also, wenn Ihre Verletzungen wirklich von einem Sturz herrühren, dann handelt es sich um den spektakulärsten Treppensturz, den ich in meiner fast zwanzigjährigen Dienstzeit je behandelt habe«, sagte der Arzt dann auch prompt und schaute mich mit ernster Miene an. »Sie haben am ganzen Körper schwerste Prellungen, eine Fraktur der zweiten Rippe sowie je eine Platzwunde an Augenbraue und Lippe.« Er räusperte sich kurz. »Was sagten Sie noch mal? Wie viele Stufen sind Sie heruntergefallen?«
    Verlegen schaute ich zu Boden.
    »Sechs oder sieben. So genau weiß ich das nicht mehr. Es ging alles so schnell.«
    Der Blick des Arztes sagte mir, dass er mir kein Wort glaubte.
    Ich hatte mittlerweile eine Vielzahl an Untersuchungen über mich ergehen lassen müssen und nun das dringende Bedürfnis, das Krankenhaus so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Lügen war noch nie meine Stärke gewesen, und die offensichtlichen Zweifel des Arztes an meinen Schilderungen waren mir

Weitere Kostenlose Bücher