Gefangen in Deutschland
Zustand nur nie lange an.« Petra blickte mich ernst an. »Hat Mahmud denn noch nie die Hand gegen dich erhoben?«
»Nein, Gott bewahre! Ich würde ihn auch sofort verlassen, wenn er das jemals tun sollte«, erwiderte ich im Brustton der Überzeugung. »Kein Mensch hat das Recht, einem anderen körperliche Gewalt anzutun.«
Mir fiel wieder die Szene ein, die sich ein paar Tage zuvor bei der Telefonzelle abgespielt hatte. Petra nickte nur, als ich ihr davon berichtete.
»Ja, Mahmud ist bekannt dafür, das er kräftig zuschlagen kann. Er hat wohl mehrere Jahre sehr erfolgreich Kampfsport betrieben«, fügte sie noch hinzu.
Verblüfft schaute ich sie an. Mahmud hatte diese Tatsache mir gegenüber noch mit keinem Wort erwähnt. Ich nahm mir vor, ihn später zu Hause darauf anzusprechen.
»Wie lange kennst du Mahmud eigentlich schon?«, bohrte ich weiter nach. »Vielleicht gibt es ja noch mehr Dinge, die du mir von ihm erzählen kannst …«
»Du, Katja, ich möchte nicht als Tratschtante dastehen«, wehrte Petra meinen Vorstoß ab. Es war deutlich zu spüren, dass ihr die Situation unangenehm war. »Du musst das verstehen: Ich bekomme unheimlichen Ärger mit Ahmed, wenn ich dir Dinge über Mahmud erzähle, die du noch nicht weißt – und vielleicht ja auch gar nicht wissen sollst«, ergänzte sie fast entschuldigend.
Natürlich wollte ich meine neu gewonnene Freundin nicht gleich in Schwierigkeiten bringen, aber es dämmerte mir, dass es wohl tatsächlich einiges gab, das ich noch nicht über Mahmud wusste. Wir wechselten das Thema, und Petra erzählte mir weiter von sich. Ich erfuhr, dass sie schon eine ganze Weile arbeitslos war und ihre Probleme, einen neuen Job zu finden, wohl auch darin begründet lagen, dass Ahmed ihr verboten hatte, mit Männern zusammenzuarbeiten.
»Weißt du, ich habe früher mal Arzthelferin gelernt. Ich bin aber schon über fünfzehn Jahre aus dem Beruf raus und finde keine Anstellung mehr in dem Bereich. Das Einzige, wo ich sicherlich etwas finden könnte, wäre in einer Fabrik. Aber ich kann ja schlecht beim Vorstellungsgespräch sagen: ›Entschuldigung, aber ich darf auf keinen Fall in derselben Abteilung tätig sein wie ein Mann‹«, klagte sie mir ihr Leid.
Bei dieser Vorstellung mussten wir beide lachen. Wir redeten noch eine ganze Weile über dies und das, als mein Blick zufällig auf Petras Küchenuhr fiel. Erschrocken stellte ich fest, dass es bereits weit nach zwanzig Uhr war. Mahmud musste schon lange zu Hause sein und würde sich bestimmt furchtbare Sorgen um mich machen. Da ich davon ausgegangen war, lange vor ihm wieder da zu sein, hatte ich ihn nicht von meinem geplanten Besuch bei Petra informiert. Hastig trank ich meinen Kaffee aus und schnappte mir meine Handtasche. Als ich mich von meiner neuen Freundin verabschiedete, blieb mir ihr mitleidiger Blick nicht verborgen.
So schnell ich konnte, lief ich nach Hause. Bei unserem Wohnhaus angekommen, stellte ich befreit fest, dass Mahmud sich ebenfalls verspätet hatte. In jedem Fall stand sein Auto nicht wie sonst auf dem Parkplatz, der zu unserer Wohnung gehörte. Ich spürte, wie mich die Erleichterung durchströmte, und atmete erst einmal tief durch. Schnell schloss ich die Wohnungstür auf und begab mich auf direktem Wege in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten.
Die Gedanken gingen mir durch den Kopf, während ich den Salat herrichtete und das Dressing anrührte. Ein böser Verdacht beschlich mich: Konnte es sein, dass ich nicht aus Rücksicht auf Mahmuds Sorgen um mich so panisch nach Hause gerannt war, sondern allein aus dem Grund, weil ich Angst vor ihm hatte? Je länger ich darüber nachdachte, umso größer wurde die Gewissheit. Ja, ich hatte Angst vor meinem eigenen Freund, musste ich mir eingestehen. Angst davor, dass er eines Tages auch an mir seine Brutalität so auslassen könnte wie an den beiden Halbstarken aus der Telefonzelle. Dass auch ich von ihm irgendwann so misshandelt werden würde wie Petra von Ahmed.
Ich spürte, wie der Kloß in meinem Hals immer dicker wurde. Der Preis, den ich dafür bezahlen musste, meine Liebe zu Mahmud zu leben, war verdammt hoch, erkannte ich, während meine Tränen ungehindert in die Salatsoße tropften.
7. K APITEL
Wer nicht hören will, muss fühlen
D urch den ganzen Stress der letzten Wochen hatte ich es immer wieder aufgeschoben, meine Mutter zu besuchen. Bei einem unserer letzten Telefonate hatte ich gespürt, wie traurig sie darüber war, also nahm
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