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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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meinen lädierten Körper einkehrte. Vorsichtig entledigte ich mich meiner Kleidung und schlüpfte in mein Nachthemd. Nachdem mir Mahmud noch eine gute Nacht gewünscht hatte, zog ich mich ins Schlafzimmer zurück. Vorsichtshalber schloss ich die Tür ab. Es dauerte lange, bis ich an jenem Abend in einen unruhigen Schlaf fiel.

8. K APITEL
Die Familie
    S eit der grauenhaften Prügelattacke waren fast zwei Wochen vergangen. Mahmud hatte sich mir gegenüber ausgesprochen höflich und zurückhaltend verhalten. In der Tat hatte er sich Urlaub genommen, ich hatte ihn nicht davon abbringen können. Zu dem Zeitpunkt war ich noch der festen Überzeugung gewesen, er wolle mir damit seine Liebe beweisen. Erst sehr viel später sollte ich erfahren, dass er sich nur freigenommen hatte, weil er befürchtete, ich könnte, bis er von der Arbeit zurückkam, meine Siebensachen gepackt haben und für immer verschwunden sein.
    Er wuchs in jenen goldenen Oktobertagen regelrecht über sich selbst hinaus. Der komplette Haushalt wurde anfangs von ihm erledigt. Ich hingegen verbrachte die meiste Zeit damit, mir zu überlegen, wie es nun weitergehen sollte. Meist dämmerte ich im Bett oder auf dem Sofa vor mich hin und starrte gedankenverloren zum Fenster hinaus, hinter dem sich die Bäume erst gelb, dann braun verfärbten. Ein Blick in die Immobilienseiten der Tageszeitungen hatte ernüchternde Ergebnisse hervorgebracht: Bezahlbare Wohnungen waren rar und die meisten Angebote in der Nähe überstiegen mein Budget um ein Vielfaches. Mahmud hatte meine Bemühungen verfolgt, sich aber jede Bemerkung dazu verkniffen.
    Ich nahm wahr, wie sich allmählich ein Sinneswandel in mir vollzog. Je mehr Zeit seit Mahmuds tätlichem Angriff vergangen war, desto unwirklicher erschien mir das Ganze. Ich spürte, dass meine Gefühle für ihn langsam wieder aufflammten. Zuerst wehrte ich mich noch dagegen, aber später begann ich tatsächlich über eine Weiterführung unserer Beziehung nachzudenken. Ich hing sehr an Mahmud, da brauchte ich mir gar nichts vorzumachen. Allein der Gedanke an die Phase, als wir schon einmal voneinander getrennt gewesen waren, löste tiefe Trauer in mir aus. Seine an den Tag gelegte Fürsorglichkeit gab meiner Hoffnung Nahrung, dass es sich bei seinem Ausraster wirklich nur um eine einmalige Angelegenheit gehandelt haben könnte.
    Mahmud spürte natürlich die Wandlung, die in mir vorging, und so saßen wir eines Abends zusammen, um uns über unsere Zukunft zu unterhalten. Er versprach mir zum wiederholten Male, sich künftig zusammenzureißen. Dabei schaute er mich so reumütig an, dass es nicht lange dauerte, bis ich mich in seinen Armen wiederfand. Er bedeckte mein Gesicht mit Küssen und schien unendlich erleichtert, dass sich die Situation noch einmal zu seinen Gunsten gewendet hatte.
    In den nächsten Tagen gab er sich alle Mühe, mir seine Liebe zu beweisen. Fast täglich brachte er mir Blumen mit nach Hause.
    »Mahmud, wir haben keine Vasen mehr!«, versuchte ich ihn lachend zu bremsen.
    Dies führte aber nur dazu, dass er am nächsten Tag nicht nur Blumen mitbrachte, sondern auch gleich noch ein paar passende Vasen. Es waren wirklich unbeschwerte Tage, und alle unsere Probleme schienen weit in den Hintergrund gerückt zu sein.
    »Hast du Lust, meine Familie kennenzulernen?«, fragte er mich eines Abends kurz vor Weihnachten völlig unvermittelt, als wir beim Essen saßen.
    Erfreut blickte ich von meinem Teller auf.
    »Ja, das würde ich sehr gerne!«
    »Gut, dann fahren wir morgen zu meinem Bruder Ali. Er hat vor einiger Zeit geheiratet, und seine Frau ist erst seit ein paar Wochen in Deutschland. Sie wird sich freuen, dich kennenzulernen.« Plötzlich wurde Mahmud etwas verlegen. »Du müsstest dir aber etwas Neues zum Anziehen besorgen«, fügte er hinzu.
    Er griff in seine Hosentasche und legte ein paar Geldscheine auf den Tisch. Ratlos schaute ich ihn an.
    »Aber ich habe doch einen ganzen Schrank voll mit Klamotten! Du musst mir nichts Neues kaufen!«, protestierte ich entschieden.
    »In meiner Familie tragen die Frauen alle lange Röcke und langärmelige Blusen. Deine Röcke sind zu kurz, Katja. Meine Familie würde sich beleidigt fühlen, wenn du in einem solchen Aufzug dort auftauchen würdest. Tu es bitte mir zuliebe! Wenn wir zu Hause sind, kannst du die Sachen ja sofort wieder ausziehen und in die hinterste Ecke deines Kleiderschranks verbannen.«
    Er schaute mich so flehentlich an, dass ich ihm diese Bitte

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