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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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sie tatsächlich mit einem T-Shirt und einer Hose zurück. Triumphierend schaute sie mich an.
    »Wusste ich es doch! Das hat sie nämlich bei ihrem letzten längeren Besuch hier vergessen. Geh jetzt erst mal unter die Dusche und mach dich frisch!«
    Nur zu gern kam ich ihrer Aufforderung nach. Ich war verheult, verschwitzt und meine Kleidung hatte reichlich Blutspritzer abbekommen. Als ich eine halbe Stunde später wieder bei Manuela in der Küche stand, fühlte ich mich schon bedeutend besser.
    »Diesmal werde ich mich definitiv von Mahmud trennen!«
    »Was heißt denn diesmal? Sag bloß, er hat dich schon mal misshandelt?«
    Ich gab mir einen Ruck und erzählte ihr von Mahmuds erster Prügelattacke. Sie schüttelte nur den Kopf. Ihrer Mimik konnte ich entnehmen, dass sie wirklich entsetzt war.
    »Wir haben hier in der Stadt gerade ein großes Fest mit einem Vergnügungspark«, erklärte sie, nachdem wir uns noch eine Weile über dies und das unterhalten hatten. »Was meinst du, sollen wir dort hingehen? Das bringt dich vielleicht auf andere Gedanken.«
    Mir war zwar nicht nach Feiern zumute, aber Manuela schaute mich so erwartungsvoll an, dass ich ihr diesen Wunsch nicht abschlagen wollte. Kurz darauf fand ich mich auf einem riesigen Rummelplatz wieder. Überall sah man in fröhliche Gesichter. Manuela hakte sich bei mir unter und zog mich hinein in das Getümmel. Ich ließ mich von ihrer Ausgelassenheit anstecken und wir hatten wirklich eine Menge Spaß zusammen. Für ein paar Stunden vergaß ich das ganze Elend, in dem ich mich befand. Wir fuhren Achterbahn, kauften Lose und begaben uns sogar auf eine Rundfahrt durch die Geisterbahn.
    Es war schon spät am Abend, als wir wieder in Manuelas Wohnung zurückkehrten. Hassan war noch nicht da. Wegen seines Jobs in der Pizzeria kam er selten vor Mitternacht nach Hause und Manuela hatte das große Glück, nicht unter seiner ständigen Kontrolle zu stehen. Wir hatten es uns gerade mit einer Kanne Tee im Wohnzimmer gemütlich gemacht, als wir sein Auto in der Einfahrt hörten. Nun wurde mir doch etwas mulmig zumute. Wie würde Hassan reagieren, wenn er erfuhr, dass ich heute bei ihm und Manuela übernachten würde? Immerhin war er der Cousin von Mahmud und würde sicherlich auf seiner Seite stehen.
    »Klar kannst du heute Nacht hierbleiben!«, erwiderte er zu meiner Überraschung wie aus der Pistole geschossen. »Aber morgen solltest du wieder nach Hause fahren und mit ihm reden. Bestimmt tut ihm mittlerweile leid, was passiert ist«, fuhr er mit ernster Stimme fort.
    Ich holte aus, um ihm zu erklären, dass mir das ziemlich egal sei, was Mahmud leidtue und was nicht, als Hassan ein kurzes Lachen ausstieß.
    »Ja, unser verdammtes Temperament geht halt leider hin und wieder mit uns Türken durch … Das darfst du alles nicht so eng sehen, Katja!«
    Ich schluckte jeden weiteren Kommentar hinunter. Mir kam es mittlerweile so vor, als ob diese ganze Familie nicht ganz bei Sinnen wäre. Manuela musste an meinem Gesichtsausdruck erkannt haben, was in mir vorging, denn sie wechselte schnell das Thema.
    Wir saßen noch eine ganze Weile beisammen, bis sie mir schließlich mein Nachtlager auf dem Wohnzimmersofa errichtete. Doch allein in dem fremden, dunklen Zimmer bekam ich kein Auge zu. Noch immer verspürte ich eine unbändige Wut und Scham über das, was Mahmud mir angetan hatte. Zugleich war ich unendlich traurig darüber, dass wir es nicht geschafft hatten, unsere kulturellen Unterschiede zu überbrücken. Ich liebte Mahmud von ganzem Herzen, aber ich musste einsehen, dass er mit dem, was er mir nach unserer ersten großen Auseinandersetzung im Auto gesagt hatte, recht behalten hatte. Ich konnte mich noch so anstrengen – die Traditionen, die er und seine Familie lebten, blieben für mich einfach inakzeptabel. Zumal ich wusste, dass alle Frauen in seiner Familie sehr unglücklich waren. Keine von ihnen hatte das Recht, eigene Wünsche zu äußern und sich frei zu entfalten. Ihr ganzes Leben wurde von ihren Vätern oder Ehemännern fremdbestimmt. Aber eine solche Existenz konnte und wollte ich bei aller Liebe zu Mahmud nicht führen.
    Während ich, statt endlich mein müdes Haupt zu betten, in Gedanken alle Möglichkeiten auslotete, wie es nun für mich weitergehen sollte, ließ mich ein lautes Poltern an der Wohnungstür aufschrecken. Ich sah, wie im Flur das Licht anging, und hörte erregte Stimmen auf Türkisch miteinander diskutieren. Kurz darauf kam Mahmud ins Zimmer

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