Gefangen in Deutschland
Tamara. Er hat sie leider nicht immer gut behandelt. Sie war oft bei mir, um sich Rat oder Trost zu holen.«
Ich horchte auf.
»Was heißt ›nicht gut behandelt‹?«
Manuela schaute mich ernst an.
»Ich möchte nicht schlecht über Mahmud reden, Katja. Ich denke, du hast sicher auch schon deine eigenen Erfahrungen mit seinem aufbrausenden Charakter gemacht. Er ist nun mal sehr eifersüchtig und besitzergreifend. Dadurch entstehen natürlich viele Probleme.«
Für eine Weile sagte keine von uns ein Wort und Manuela schob das Backblech in den Ofen.
»Wo ist Tamara jetzt?«, fragte ich schließlich.
»Oh, sie lebt jetzt in einer anderen Stadt. Nachdem Mahmud sich vor etwa zwei Jahren von ihr getrennt hat, musste sie den Ort verlassen. Er hat das so gewollt, und sie hat sich daran gehalten.«
Ich war sprachlos. Nicht nur die Tatsache, dass der Übergang zwischen Tamara und mir offenbar fast nahtlos gewesen war, schockierte mich, sondern auch, dass er sie nach Beendigung der Beziehung so einfach aus ihrer Heimatstadt hatte verjagen können.
»Katja, tu mir bitte den Gefallen und erzähl Mahmud mit keinem Wort, was du von mir gehört hast!«, riss Manuela mich aus meinen Gedanken. »Ich bekomme sonst ernsthafte Schwierigkeiten mit Hassan!«
»Natürlich, mach dir keine Sorgen, Manuela!«, beruhigte ich sie. »Ich werde schweigen wie ein Grab. Hast du denn gar keine Probleme mit Hassan?«, fragte ich dann.
»Ich liebe Hassan aufrichtig, aber leider ist diese Liebe sehr einseitig. Er hat mich nur geheiratet, um eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland zu bekommen. Und die hat er bald, denn wir sind jetzt schon seit über drei Jahren zusammen. Keine Ahnung, was passiert, wenn die Mindestfrist für eine Ehe abgelaufen ist«, erklärte sie fast emotionslos.
Ich wollte gerade weiter nachfragen, als Mahmud den Kopf zur Küchentür hereinsteckte.
»Wo bleibt ihr denn?«
Wie auf Kommando sprangen Manuela und ich von unseren Plätzen auf.
»Wir wollten gerade kommen!«, antworteten wir im Chor.
Wie zwei Schulmädchen, die von ihrem Lehrer gemaßregelt werden, dachte ich, als ich mit Manuela zusammen den Tisch fürs Abendbrot im Esszimmer deckte, während die beiden Männer nebenan noch vor dem Fernseher saßen. Und genauso naiv kam ich mir auch vor, wenn ich an Mahmuds Exfreundin dachte. Tamara – warum hatte er mir nie von ihr erzählt? Ich hatte schließlich auch kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich vor ihm mit einem anderen zusammen gewesen war. Wie viele Dinge gab es wohl noch in Mahmuds Leben, von denen ich keine Ahnung hatte?, fragte ich mich alarmiert.
9. K APITEL
Ein leeres Versprechen
D as ganze Frühjahr hindurch verging kaum eine Woche, in der wir nicht irgendwelche Verwandten von Mahmud besuchten. So lernte ich nach und nach alle seine Brüder, Schwestern sowie unzählige Onkels und Tanten, Cousins und Cousinen kennen. Längst schon hatte ich mir noch ein paar mehr lange Röcke und Blusen besorgt, damit ich nicht immer in denselben Kleidern zu den Besuchen erscheinen musste. Wirklich wohl fühlte ich mich darin nicht. Umso schlimmer war es für mich, als Mahmud eines Tages von mir verlangte, mich ab sofort immer so zu kleiden.
»Fast meine ganze Familie kennt dich jetzt, Katja. Ich möchte nicht, dass sie anfangen, schlecht über dich zu reden, falls sie dich zufällig mal in Jeans und T-Shirt in der Stadt herumlaufen sehen«, begründete er seinen Wunsch.
»Warum sollten sie das tun? Sie wissen doch, dass ich eine deutsche Frau bin!«, versuchte ich mich zu wehren.
»Keine Frau aus unserer Familie läuft so herum. Du bist jetzt auch ein Teil meiner Familie. Du hast die Wahl, Katja: Entweder du passt dich mit deinem Kleidungsstil an oder du verlässt die Wohnung nicht mehr!«
Mahmuds Augen funkelten böse, während er diese Drohung ausstieß. Es war das erste Mal, seit er mich verprügelt hatte, dass er wieder richtig ungemütlich wurde. Erstaunlicherweise verspürte ich aber diesmal keine Angst. Ich war fest entschlossen, um das bisschen Individualität, das mir noch geblieben war, zu kämpfen.
»Ich werde weder täglich diese Klamotten tragen noch ständig in unserer Wohnung bleiben. Du hast dir eine deutsche Freundin ausgesucht, nun respektier das auch!«
Mahmud verschlug es für einen Moment die Sprache. Mit solch einem Widerstand hatte er wohl nicht gerechnet. Plötzlich kam er langsam auf mich zu.
»Rede nicht so mit mir, Katja! Es könnte dir sonst leidtun.«
Er klang
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