Gefangen in Deutschland
kannst!«
Mahmud hatte von mir abgelassen und wollte sich gerade zu Manuela umdrehen, als plötzlich die Tür zu seinem Krankenzimmer aufging: der Narkosearzt. Überrascht blickte er auf die Szenerie, die sich ihm da bot: zwei deutsche Frauen, davon eine mit Kopftuch und in Tränen aufgelöst, und ein zornroter türkischer Patient im Schlafanzug. Höflich, aber bestimmt bat uns der Mediziner, der garantiert sofort eins und eins zusammengezählt hatte, das Zimmer zu verlassen. Er müsse mit Mahmud die Narkose für den nächsten Tag besprechen, gab er als Begründung an.
Kurz bevor wir die Tür hinter uns schließen konnten, hörte ich noch, wie Mahmud mir hinterherrief:
»Wir sprechen uns zu Hause, Katja! Das wird Konsequenzen haben!«
Ohne etwas darauf zu erwidern, knallte ich die Tür heftig ins Schloss. Zu Hause hätte ich mich das nie getraut, aber hier in der Sicherheit des Krankenhauses konnte ich meiner Wut freien Lauf lassen.
Reichlich belämmert standen Manuela und ich kurze Zeit später wieder auf dem Parkplatz. Es war genauso gekommen, wie ich es befürchtet hatte: Mahmud hatte alle Vorwürfe bestritten und wir beide hatten nun eine Menge Ärger am Hals. Ich wusste, dass nach Mahmuds Entlassung aus dem Krankenhaus einiges auf mich zukommen würde. Schon allein die Tatsache, dass ich ohne seine Erlaubnis einfach zu Manuela gefahren war, würde für ihn einen Grund zur Aufregung darstellen. Ich konnte nur hoffen, dass Mahmud noch lange im Krankenhaus bleiben musste und sein Zorn sich bis zu seiner Entlassung halbwegs gelegt haben würde. Im Moment machte ich mir mehr Sorgen um Manuela. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass Mahmud seine Ankündigung wahr machen und bei der nächstbesten Gelegenheit Hassan über die Mitteilsamkeit seiner Frau informieren würde.
Bedrückt machten wir uns auf den Heimweg zu Manuelas Wohnung. Ihre Einladung, noch einen Kaffee bei ihr zu trinken, schlug ich aus. Hätte ich geahnt, dass Mahmud und Hassan uns wegen des Vorfalls jeden weiteren persönlichen Kontakt verbieten würden, hätte ich bestimmt anders reagiert, so aber kam ich gar nicht auf die Idee, Manuela und ich könnten uns nie mehr wiedersehen. Ich hatte in dem Moment einfach nur das dringende Bedürfnis, allein zu sein. Schon seit Längerem zeigte mein Körper Anzeichen, den ständigen psychischen Druck, den Mahmud auf mich ausübte, nicht weiter klaglos hinnehmen zu wollen. In der letzten Zeit hatte ich öfter aus heiterem Himmel Herzrasen bekommen oder war von einer Sekunde auf die andere von heftigen Migräneattacken befallen worden. Ich musste unbedingt demnächst einen Arzt aufsuchen, nahm ich mir zum wiederholten Male vor.
Zu Hause erwartete mich das nächste Ungemach. Mahmud musste mit Mustafa telefoniert haben, um ihn über mein unerlaubtes Verlassen der Wohnung zu unterrichten. Obwohl ich Mustafa kaum kannte, hielt er mir sofort eine Standpauke. Ich empfand es als äußerst entwürdigend, dass sich ein mir fast fremder Mensch das Recht herausnehmen konnte, mir zu sagen, was ich zu tun und zu lassen hätte. Schlimm genug, dass Mahmud das ständig tat, aber er war zumindest mein Lebenspartner.
Mustafa schien sich in seiner Rolle als Aufpasser zu gefallen, denn er ließ mich in den folgenden Tagen kaum aus den Augen. Selbstverständlich erwartete er auch, dass ich ihn bekochte und bediente, so wie das in türkischen Familien oftmals üblich ist. Bald empfand ich seine Anwesenheit als unerträglich und begann tatsächlich Mahmuds Rückkehr herbeizusehnen.
Dieser hatte sich zwischenzeitlich wieder beruhigt. Bei meinem nächsten Krankenbesuch hatte er mir noch einmal versichert, dass Manuelas Behauptungen allesamt frei erfunden wären. Auf meine Frage, warum sie das hätte tun sollen, behauptete er, dass Manuela neidisch auf uns sei, weil wir im Gegensatz zu ihr und Hassan doch glücklich miteinander seien. Ich musste all meine Selbstbeherrschungskunst aufbieten, um bei dieser Begründung nicht in Hohngelächter auszubrechen.
Was ich Mahmud wirklich übel nahm, war der Umstand, dass er wirklich seinen Cousin Hassan angerufen hatte, um sich über Manuela zu beschweren. Diese hatte daraufhin den erwarteten Krach mit ihrem Mann bekommen. Er hatte sie zwar nicht geschlagen, dafür aber einen Porzellanengel, den sie von ihrer verstorbenen Mutter geschenkt bekommen hatte, gegen die Wand geschmissen, sodass er in alle Einzelteile zersprungen und irreparabel kaputtgegangen war. Manuela hatte mir schluchzend am
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