Gefangen in Deutschland
Telefon davon berichtet und mein schlechtes Gewissen war ins Unermessliche gewachsen. Aus Rücksicht auf sie hatte ich auch bisher darauf verzichtet, Mahmuds Familie von seinem Seitensprung in Kenntnis zu setzen. Ich wollte nicht noch mehr Staub aufwirbeln, am Ende wäre doch wieder sie die Leidtragende gewesen.
Petra und Aysegül hingegen hatte ich natürlich von Mahmuds Affäre mit seiner Exfreundin erzählt. Die beiden zeigten sich nicht im Geringsten überrascht. Sie kannten Mahmud ja schon viel länger als ich und wussten um seine notorische Untreue.
»Dieser scheinheilige Scheißtyp!«, schimpfte sich Petra ihren Ärger über Mahmuds Verhalten von der Seele. »Aber dich prügelt er halb tot, nur weil du ein paar Worte mit Kerim gewechselt hast!«
Als Petra Kerims Namen erwähnte, zuckte ich unwillkürlich zusammen. Meine Freundin hatte mir mittlerweile gebeichtet, dass sie sich regelmäßig mit ihrem Nachbarn traf. Da Ahmed abends meist unterwegs war, nutzte Petra die Gelegenheit, Kerim zu sehen. Ich war mir sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie Kerims ständigem Werben nachgeben und mit ihm ins Bett gehen würde. Was dann geschehen mochte, wollte ich mir gar nicht erst ausdenken – Ahmed würde vermutlich den Versuch starten, die beiden umzubringen. Aber Petra teilte meine Sorgen nicht. Sie scheute nicht einmal davor zurück, die Treffen mit Kerim in ihrer und Ahmeds gemeinsamer Wohnung stattfinden zu lassen. Auf meine Frage, ob sie denn nicht Angst hätte, dass ihr Freund einmal früher als üblich nach Hause kommen könnte, hatte sie mich lediglich ausgelacht. Seitdem vermied ich, das Thema anzusprechen. Offensichtlich hatte sich meine Freundin ernsthaft verliebt. Warum sonst sollte sie ein so hohes Risiko eingehen?
20. K APITEL
Petras Plan
N ach einer Woche wurde Mahmud endlich aus der Klinik entlassen. Die Operation war problemlos verlaufen. Ich hätte vor Freude einen Luftsprung machen können, als Mustafa seine Habseligkeiten in seiner Reisetasche verstaut hatte und sich von uns verabschiedete. Er war bisher das einzige Mitglied der Familie, das mir wirklich von ganzem Herzen unsympathisch war.
Mahmud brachte Neuigkeiten mit nach Hause. Einer seiner unzähligen Onkel, der schon länger in Deutschland wohnte, beabsichtigte, seine in der Türkei lebende Ehefrau samt den fünf gemeinsamen Kindern zu sich zu holen. Ich sollte der Familie bei der Wohnungssuche und den erforderlichen Behördengängen helfen. Ich tat so etwas immer gern, bedeutete es doch, dass ich unsere Wohnung für ein paar Stunden verlassen konnte.
Sofort am nächsten Tag begann ich die regionalen Tageszeitungen nach passenden Wohnungsangeboten zu durchforsten. Wie ich schnell feststellen konnte, hatte sich der Wohnungsmarkt in den letzten Jahren kaum verändert. Unwillkürlich musste ich daran denken, wie Mahmud mich bald zwei Jahre zuvor zum ersten Mal verprügelt hatte und ich aus unserem gemeinsamen Apartment wieder hatte ausziehen wollen. Schon damals war bezahlbarer Wohnraum knapp gewesen und ich war trotz intensiver Suche nicht fündig geworden. Dieses Mal hatte ich mehr Glück: Immerhin betrug meine Ausbeute drei für die Familie infrage kommende Wohnungen. Ich wollte gerade anfangen, diese nacheinander abzutelefonieren, als es plötzlich klingelte und Petra vor meiner Tür stand.
»Ich muss unbedingt mit dir reden, Katja!«, begrüßte sie mich aufgeregt.
Sofort begannen sämtliche Alarmglocken in mir zu schrillen.
»Ist was passiert? Oder warum bist du so aufgewühlt?«
Prüfend schaute ich in ihr Gesicht.
»Ja und nein«, lautete die verwirrende Antwort meiner Freundin. »Am besten setzt du dich hin, denn das, was ich dir jetzt erzählen werde, haut dich sonst vermutlich um.«
Gemeinsam nahmen wir an meinem Küchentisch Platz, und Petra begann sofort zu erzählen. Zum ersten Mal sprach sie offen darüber, dass sie ein Verhältnis mit Kerim eingegangen war. Sie hatte sich ernsthaft in ihn verliebt und wollte ihn heiraten. Natürlich war beiden klar, dass sie unter diesen Umständen nicht vor Ort bleiben konnten – Ahmed hätte mit Sicherheit versucht, sie umzubringen. Aus dem Grund hatte Kerim mit seinen Verwandten Kontakt aufgenommen, die in einer etwa dreihundert Kilometer entfernt gelegenen Kleinstadt lebten. Dorthin wollten sie zunächst ziehen, um sich dann irgendwo eine eigene Wohnung zu suchen.
Petra redete ohne Punkt und Komma und ich hatte Mühe, ihren Ausführungen zu folgen. Was sie
Weitere Kostenlose Bücher