Gefangen in Deutschland
ich selbst unter solchen Schmerzen litt, dass ich mich nicht aus meiner gekrümmten Haltung am Boden erheben konnte, war ich außerstande, meiner Freundin zu helfen. Ich rechnete aber die ganze Zeit fest damit, dass jeden Moment die Polizei auftauchen würde. Kerim hatte sicher schon längst einen Notruf getätigt.
Doch als Mahmud und Ahmed endlich von Petra abließen, war noch immer keine Hilfe in Sicht. Mahmud herrschte mich an, ich solle sofort aufstehen. Gleich beim ersten Versuch scheiterte ich. Ich hatte mittlerweile schon mehrfach Blut gespuckt, und der Schmerz tobte nach wie vor in meinem Unterleib. Statt Mitleid zu zeigen, packte mich Mahmud am Arm und zog mich einfach hinter sich her. Nur mit äußerster Kraftanstrengung gelang es mir, auf die Beine zu kommen, sonst hätte er mich wahrscheinlich die ganze Treppe hinuntergeschleift.
In unserer Wohnung angelangt, bat ich Mahmud, mich zu einem Arzt zu bringen. Ich befürchtete stark, an inneren Blutungen zu leiden. Aber wie schon einige Male zuvor verweigerte Mahmud mir auch diesmal jede ärztliche Hilfe. Hilflos seinem Willen ausgeliefert, kochte ich mir schließlich einen Kamillentee. Ich dachte nicht wirklich, dass dieser mir helfen würde – vielmehr war es der Versuch, überhaupt etwas zu tun, um nicht in meiner Handlungsunfähigkeit zu erstarren.
Trotz meiner Befürchtungen hatte ich die Nacht halbwegs gut überstanden. Ich spuckte kein Blut mehr und auch die Schmerzen hatten nachgelassen.
Mahmud hatte am Morgen so gut wie nicht mit mir gesprochen. Mit keinem Wort hatte er sich nach meinem Befinden erkundigt. Lediglich die Anweisung, unsere Wohnung nicht zu verlassen, hatte er mir in eisigem Ton erteilt.
Kaum hatte er die Wohnungstür hinter sich ins Schloss gezogen, stürzte ich auch schon zum Telefon, um Petra anzurufen. Als sie hörte, wer am anderen Ende der Leitung war, begann sie sofort mich anzuschreien.
»Dass du eine solche elendige Verräterin bist, hätte ich nie von dir gedacht, Katja!«, beschimpfte sie mich. »Du gönnst mir wohl gar nicht das Glück, das ich mit Kerim erlebe, was?«
»Petra, hör auf! Du weißt nicht, was du sagst! Meinst du wirklich, ich hätte dich freiwillig ans Messer geliefert? Du weißt doch, wie Mahmud ist, er hat mich …«
»Hör auf mit dem Scheiß!«, unterbrach mich Petra wutentbrannt. »Ich glaube dir kein Wort. Du bist einfach nur eifersüchtig, weil du auch in Kerim verliebt bist!«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein! Petra, bitte, lass uns vernünftig miteinander reden, so können wir …«
Plötzlich merkte ich, dass meine Worte ins Leere gingen: Petra hatte einfach aufgelegt. Fassungslos starrte ich auf den Hörer in meiner Hand. Dann spürte ich, wie mir die Knie nachgaben und mir schlecht wurde. Jetzt hatte ich nicht nur meine Freiheit und meine Persönlichkeit, sondern auch noch meine beste Freundin verloren. Noch nie hatte ich mich so verlassen gefühlt.
21. K APITEL
Die Polizei, dein Freund und Helfer
D er Tag, an dem der Umzugswagen vorfuhr, um Petras und Kerims Möbel abzuholen, war einer der schrecklichsten in meinem Leben. Nun würde die einzige deutsche Freundin, die ich noch hatte, endgültig unerreichbar für mich sein. Besonders niederschmetternd daran war: Ich hatte Kerim nur einen Tag zuvor im Hof bei den Müllcontainern getroffen, wo er mich allen Ernstes gefragt hatte, ob ich es mir mit ihm nicht doch noch einmal überlegen wolle. Denn eigentlich würde er ja mich lieben und Petra sei nur eine Notlösung. Voller Verachtung spuckte ich vor ihm auf dem Boden aus. Ich war dermaßen angeekelt von seinem dreckigen, falschen Charakter, dass ich ihm die Pest an den Hals wünschte. Kaum wieder oben in meiner Wohnung, rief ich Petra an, um ihr von Kerims Angebot zu erzählen. Doch abermals warf sie mir vor, ich würde ihr wohl ihr Glück nicht gönnen. Und nun würde ich auch noch Kerim bösartig verleumden! Damit beendete sie das Gespräch, und das war dann unser Abschied.
Seit Petra weggezogen war, ging mir von Tag zu Tag mehr auf, in was für einem Gefängnis ich eigentlich lebte. Egal wo ich hinwollte, es musste immer jemand von Mahmuds Familie dabei sein. Ständig bekam ich strenge zeitliche Vorgaben, an die ich mich zu halten hatte. Mein ganzes Leben bestand aus Druck, Angst, Regeln und Misshandlung. Und über all dem schwebte nach wie vor das Damoklesschwert »Hochzeit«!
Hin und wieder besuchte ich die Moschee. Längst hatte ich auch den kompletten Koran in deutscher
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