Gefangen in Deutschland
Übersetzung gelesen. Mein Türkisch wurde immer besser. Bald würde ich keine glaubhafte Begründung mehr finden können, warum ich noch immer nicht zum Islam übertreten wollte – der Voraussetzung für eine Hochzeit.
Ich spürte, wie sich mein Unglück zunehmend auf mein körperliches Befinden auswirkte. Selbst Mahmud blieb mein schlechter Zustand auf Dauer nicht verborgen. Er schien sich wirklich Sorgen um mich zu machen. Ich versuchte diesen Umstand für mich zu nutzen, indem ich ihn bat, wieder arbeiten gehen zu dürfen. Dies war die einzige Möglichkeit für mich, wenigstens ein paar Stunden am Tag am normalen Leben teilzuhaben und der Einsamkeit unserer Wohnung zu entfliehen.
Natürlich war Mahmud von dieser Idee anfangs überhaupt nicht angetan. Er wusste schließlich genau, dass ein solches Zugeständnis an mich zugleich einen Kontrollverlust für ihn bedeutete. Diesmal ließ ich aber nicht locker: Wann immer sich mir die Gelegenheit bot, brachte ich das Gespräch auf meinen Arbeitswunsch. Manches Mal war er so genervt, dass ich nur haarscharf an einer Ohrfeige vorbeischrammte.
Irgendwann hatte ich es jedoch geschafft. Unter den strengsten Vorgaben, wie ich mich zu verhalten hätte – »Fahr auf direktem Weg von der Arbeit nach Hause!«, »Schau keinem Mann in die Augen!«, »Unterhalte dich mit niemandem über private Dinge!« –, bekam ich tatsächlich seine Erlaubnis, mir einen Job zu suchen. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Damals war ich noch der Meinung, einen kleinen Sieg errungen, mein Selbstbestimmungsrecht zumindest stückweise zurückerobert zu haben. Hätte ich da schon geahnt, welche schwerwiegenden Folgen dieser Etappensieg für mich haben sollte, wäre ich liebend gern zu Hause geblieben.
Zwei Wochen später hatte ich die passende Stelle gefunden. Eine Bäckerei, die über mehrere Filialen in der Stadt verfügte, war bereit, mich auf Teilzeitbasis zu beschäftigen. Der Arbeitsplatz erfüllte alle Bedingungen, die Mahmud mir gestellt hatte. Bis auf den Geschäftsinhaber und die Bäcker in der Backstube, mit denen ich aber kaum in Berührung kam, waren meine Kollegen alle weiblich.
Ich freute mich wie ein Kind auf meinen ersten Arbeitstag. Endlich würde ich wieder einmal unter die Leute kommen! Dieser Job würde mir auch genügend Ablenkung von meiner Trauer über Petras Umzug bieten.
Meine Kolleginnen nahmen mich gleich an meinem ersten Arbeitstag in ihren Kreis auf. Sie alle waren froh, endlich Verstärkung im Team zu bekommen. Der Geschäftsinhaber war wohl schon seit längerer Zeit auf der Suche nach einer zusätzlichen Kraft gewesen. Wegen des niedrigen Lohns war er aber bisher nicht fündig geworden. Doch bei mir stand das Gehalt nicht im Vordergrund. Meine Motive, wieder arbeiten zu gehen, waren schließlich ganz andere.
Das Ladengeschäft war hell und freundlich eingerichtet. Es duftete herrlich nach den frischen Backwaren. Da die Bäckerei verkehrstechnisch sehr günstig lag, herrschte immer viel Betrieb, sodass in der Regel drei Verkäuferinnen notwendig waren, um alle Kunden zügig bedienen zu können.
Mit einer der Kolleginnen verstand ich mich auf Anhieb prächtig. Sie hieß Rita, war um die vierzig Jahre alt und hatte zwei bald erwachsene Kinder. Von ihrem ganzen Typ her strahlte sie etwas Mütterliches aus. Rita nahm mich von Anfang an unter ihre Fittiche. Ich bedauerte sofort, auf Dauer nicht mit ihr zusammenarbeiten zu können, denn ich sollte in der Hauptgeschäftsstelle nur angelernt werden, um dann in die Filiale im Einkaufscenter zu wechseln.
Gleich zu Anfang wurde ich von den Kolleginnen auf mein Kopftuch angesprochen. Es war ja in der Tat ungewöhnlich, dass sich eine deutsche Frau verschleierte. Außer Erika kannte ich selbst auch niemanden, der dies sonst noch tat. Weil ich mit solchen Fragen gerechnet hatte, war ich entsprechend gewappnet. Ich erzählte ihnen etwas von meiner inneren Überzeugung und meiner Berufung zum Islam. Ich registrierte zwar die skeptischen Blicke, aber es traute sich auch niemand, näher nachzufragen.
Als ich einen Tag später meine Mittagspause allein mit Rita im Aufenthaltsraum verbrachte, griff sie das Thema nochmals auf. Ganz direkt fragte sie mich, was denn wirklich der Grund für mein Kopftuch sei.
Ich weiß nicht, warum ich ihr sogleich vertraute. Wahrscheinlich war ich einfach nur froh, jemanden gefunden zu haben, dem gegenüber ich meinem Herzen endlich einmal Luft machen konnte. In Kurzform ratterte ich meine
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