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Gefangen in Deutschland

Gefangen in Deutschland

Titel: Gefangen in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Schneidt
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ganze Weile, aber irgendwann fiel ich in eine weitere Ohnmacht.
    Ich weiß nicht, wie lange ich dort auf dem Boden gelegen hatte, aber als ich wieder zu mir kam, war es draußen bereits dunkel. Mahmud hatte kein Licht angemacht, sondern saß in dem düsteren Wohnzimmer unweit von mir auf dem Sofa, das Gesicht mir zugewandt. Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich, dass er ein riesiges Messer in den Händen hielt.
    »Das hast du dir alles selbst zuzuschreiben. Warum musst du auch immer wieder aufmucken?«, begann er plötzlich mit gleichförmiger Stimme auf mich einzureden. »Es könnte alles so schön sein, wenn du dich nur an das halten würdest, was ich dir sage.«
    »Wenn du mich umbringen willst, dann tu es jetzt!«, entgegnete ich in einem kaum hörbaren Flüsterton. »Ich ertrage dieses Leben nicht mehr, Mahmud. Ich kann nicht mehr. Ich habe mich wirklich bemüht, dir eine gute Freundin zu sein, aber egal, was ich tue, es ist dir offensichtlich nie genug.«
    Ich wollte noch weiterreden, aber meine Stimme gehorchte mir nicht mehr. Diesmal hatte er mich wirklich schwer erwischt, so am Ende meiner Kräfte hatte ich mich bisher noch nie gefühlt.
    Als ich das Bewusstsein wiedererlangte, lag ich in meinem Bett. Vorsichtig drehte ich den Kopf zur Seite. Mahmud lag neben mir und schien zu schlafen, das große Messer, das sichtbar auf der Bettdecke lag, noch immer fest mit der Faust umschlossen. Er musste irgendwie registriert haben, dass ich mich bewegt hatte, denn er schlug sofort die Augen auf und blickte mich an.
    An dem Dämmerlicht draußen erkannte ich, dass schon ein neuer Tag hereingebrochen war. Mein Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen, wurde immer dringender. Vorsichtig versuchte ich mich im Bett aufzusetzen. Sofort wurde mir schwindelig und die Übelkeit stieg erneut in mir hoch. Mahmud beobachtete mich schweigend. Hilfesuchend blickte ich ihn an.
    »Ich muss zur Toilette, aber ich schaffe es nicht aufzustehen. Hilf mir bitte!«
    Der schwache Klang meiner Stimme ließ mich über mich selbst erschrecken. Ich hörte mich furchtbar an, wie jemand, der kurz davor stand, seinen letzten Atemzug zu tun.
    »Du bist selbst schuld! Warum machst du auch immer wieder so eine Scheiße?«, lautete seine ewig gleiche Erwiderung.
    Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz in all den Jahren an Mahmuds Seite bei jeder Gelegenheit zu hören bekommen hatte. Manchmal glaubte ich schon selbst, die alleinige Schuld an meiner ausweglosen Situation zu tragen. Doch in dem Moment kam ich nicht dazu, mir weiter den Kopf über mein völlig verbogenes Selbstbild zu zerbrechen: Mir ging es so schlecht wie noch nie. Ich musste mich übergeben, mir war schwindelig, meine Beine versagten mir den Dienst.
    Obwohl Mahmud sah, dass ich unter großen Schmerzen litt, weigerte er sich auch jetzt wieder, mich zum Arzt zu bringen.
    Verzweifelt überlegte ich, wie ich Hilfe herbeiholen könnte, als es plötzlich an unserer Tür klingelte. Sofort sprang Mahmud auf, um nachzuschauen, wer das sein könnte. Kurz darauf hörte ich die Stimme meiner Arbeitskollegin Rita.
    Schlagartig schöpfte ich neue Hoffnung. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Eigentlich war ja ein ganz normaler Arbeitstag, aber weil ich nicht in der Bäckerei erschienen war, hatten meine Kolleginnen wohl unserem Chef Bescheid gesagt. Und Herr Dittrich musste ihnen vom Besuch meines Freundes in seinem Büro erzählt haben. Da Rita meine Lebensumstände kannte, hatte sie offenbar sofort Verdacht geschöpft und sich auf den Weg zu mir nach Hause gemacht.
    Ich hörte, wie Mahmud ihr eine Lügengeschichte auftischte. Meine Mutter sei schwer erkrankt, sodass ich am Vorabend noch zu ihr gefahren sei, um sie gesund zu pflegen. Ohne weiter nachzufragen, schien Rita diese Erklärung zu akzeptieren, denn wenig später kehrte Mahmud ins Schlafzimmer zurück.
    Der kurze Moment der Hoffnung war wieder der alten Resignation und Angst gewichen, und ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können, begann ich bitterlich zu weinen.
    »Warum hast du mich nicht getötet?«, stieß ich wimmernd hervor. »Warum machst du diesem ganzen Leiden nicht endlich ein Ende, Mahmud? Ich kann nicht mehr! Ich habe einfach keine Kraft mehr, mit dir zusammenzuleben.«
    Mahmud hatte auf der Bettkante Platz genommen und meinen Gefühlsausbruch schweigend beobachtet.
    » Benim herşeyimsin (›Du bist mein ein und alles‹)«, war sein einziger Kommentar.
    »Dann bring mich zu einem Arzt,

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