Gefangen in Deutschland
freundlich zu mir gesprochen hatte.
»Wenn ich Ihnen helfen soll, dann müssen Sie mir schon erzählen, was passiert ist«, fuhr der Polizist fort. »Ich bin mir sicher, dass Sie nicht die Treppe runtergefallen sind, sondern dass Ihr Lebensgefährte Sie so schrecklich zugerichtet hat.«
Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, als mich meine Selbstbeherrschung verließ. Die Tränen schossen mir nur so aus den Augen.
»Was würde es denn ändern, wenn ich Ihnen sagte, dass ich von meinem Freund schrecklich misshandelt werde?«, brachte ich laut weinend hervor. »Sie könnten mir doch auch nicht helfen!«
Ein heftiges Zittern hatte meinen ganzen Körper befallen. Erschrocken über meinen Gefühlsausbruch hatte der Polizist sich auf die Bettkante gesetzt und meine Hand genommen.
»Wissen Sie, Frau Schneidt, wie oft wir solche Schicksale wie Ihres erleben? Regelmäßig werden wir zu Einsätzen gerufen, bei denen Frauen von ihren Männern halb tot geprügelt werden. Nicht selten handelt es sich dabei um ausländische Männer. Ich bin weiß Gott nicht fremdenfeindlich, aber die Südländer haben nun mal eine andere Vorstellung von Partnerschaft, als wir sie haben. Ich habe das immer wieder erleben müssen.« Er machte eine Pause, als müsste er nach den richtigen Worten suchen. »Wenn Sie sich selbst einen großen Gefallen tun wollen, dann erstatten Sie jetzt Anzeige gegen Ihren Freund. Dann können wir handeln und nehmen ihn sofort mit aufs Revier.«
Energisch schüttelte ich den Kopf.
»Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sie ihn nach der Vernehmung wieder auf freien Fuß setzen müssen. Was glauben Sie wohl, was dann passiert? Er wird auf direktem Weg zurück nach Hause kommen und mich entweder gleich töten oder wieder grausam misshandeln. Wie wollen Sie mich denn davor schützen? Stellen Sie mir rund um die Uhr einen Beamten an die Seite, der auf mich aufpasst?«
Der Polizist sah mich traurig an.
»Das können wir nicht. Wir können nur verstärkt hier in Ihrer Straße Streife fahren, aber mehr können wir zunächst nicht für Sie tun«, gab er offen zu.
»Sehen Sie – und damit hat sich die Anzeige für mich erledigt. Ich würde quasi Selbstmord begehen, wenn ich es doch täte«, stellte ich nüchtern fest.
Resigniert zuckte der Polizist mit den Schultern.
»Auch wenn ich Ihre Reaktion natürlich nicht gutheißen kann – verstehen tue ich sie zumindest. Das Schlimme ist, dass diese Scheißtypen das ebenfalls genau wissen und ihre Frauen munter weiter verprügeln.«
Bei seinen letzten Worten hatte er meine Hand losgelassen und seine Mütze wieder an sich genommen. Er war schon fast zur Tür hinaus, als er sich noch einmal zu mir umdrehte.
»Hat sich eigentlich schon mal ein Arzt Ihre Verletzungen angesehen?«
Wieder schüttelte ich den Kopf.
»Nein, Mahmud weigert sich, mich zu einem Arzt zu bringen oder meinen Hausarzt hierherzubestellen.«
Ich sah, wie der Beamte seine beiden Kieferhälften aufeinanderpresste, um seine Wut im Zaum zu halten.
»Machen Sie sich keine Sorgen! Geben Sie mir den Namen Ihres Hausarztes und ich werde mich mit ihm in Verbindung setzen. Sollte Ihr Freund ihm keinen Zugang zu Ihrer Wohnung gewähren, werden wir wiederkommen.«
Dankbar gab ich ihm Namen und Adresse des Arztes. Er nickte mir noch kurz zu und rief dann nach seinem Kollegen.
Als die beiden Beamten unsere Wohnung verlassen wollten, baute sich Mahmud provozierend im Flur auf.
»Bis zum nächsten Mal, meine Herren!«, rief er ihnen spöttisch hinterher.
Die Männer blieben wie angewurzelt stehen. Wie in Zeitlupe drehten sie sich um. Durch die offene Schlafzimmertür konnte ich sehen, wie sie nur mühsam an sich halten konnten. Der Beamte, mit dem ich gesprochen hatte, trat auf Mahmud zu und sah ihm fest in die Augen.
»Wir werden in Zukunft verstärkt unsere Einsatzwagen auf Streife durch Ihre Straße schicken – und dann Gnade Ihnen Gott, wenn wir noch einmal mitbekommen, dass Sie Ihrer Freundin auch nur ein Haar krümmen! Dann werden wir Sie verhaften und Ihre Freundin wird Ihnen auch mit Lügengeschichten nicht mehr weiterhelfen können. Wir behalten Sie im Auge! Verlassen Sie sich darauf!«
22. K APITEL
Schwanger
U ngefähr eine Stunde später fand ich mich in unserem Städtischen Krankenhaus wieder. Der Polizist hatte Wort gehalten und meinen Hausarzt verständigt. Nach einer kurzen, aber gründlichen Untersuchung hatte dieser sofort einen Krankenwagen kommen und mich abtransportieren lassen.
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