Gefangen in Deutschland
starrte stattdessen auf ein Bild, das gegenüber dem Bett an der Wand hing.
»Wenn Sie sich mir nicht anvertrauen, kann ich Ihnen auch nicht helfen!«, drang er weiter auf mich ein.
Ich spürte, wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete. Langsam drehte ich den Kopf in seine Richtung.
»Sie könnten mir auch nicht helfen, wenn ich Ihnen die Wahrheit sagen würde«, kam es stockend über meine Lippen.
Ich lag noch lange wach, nachdem der Arzt gegangen war. Er hatte nichts unversucht gelassen, mich doch noch zum Reden zu bringen, irgendwann hatte er es dann aber aufgegeben. Was hätte es für einen Sinn gehabt, ihm von meinem Unglück zu erzählen? Nicht einmal die Polizei konnte mir helfen, was hätte er als Arzt also tun wollen? Im Moment hatte ich sowieso ein ganz anderes Problem. Ich trug ein Kind unter dem Herzen, das unter keinen Umständen zur Welt kommen durfte. Ein Kind mit Mahmud würde meine Situation nur noch verschlechtern und meine Chancen, mich jemals aus dieser Beziehung zu befreien, gegen null sinken lassen. Auf gar keinen Fall durfte er erfahren, dass ich schwanger von ihm war. Niemals würde er einer Abtreibung zustimmen.
Als ich am nächsten Morgen nach einer unruhigen Nacht mit schwerem Kopf erwachte, saß Aysegül auf einem Stuhl neben meinem Bett. Kaum hatte ich ihren besorgten Gesichtsausdruck gesehen, konnte ich nicht mehr an mich halten und brach in Tränen aus. Wortlos setzte sie sich auf die Bettkante und begann mich in ihren Armen zu wiegen wie ein kleines Kind. Immer wieder strich sie mir über den Kopf. Schließlich goss sie mir Tee aus einer mitgebrachten Thermoskanne ein und bat mich zu erzählen. Schweigend hörte sie mir zu. Einzig ihre Mimik verriet, wie entsetzt sie über Mahmuds neuerlichen Ausbruch war.
»Es gibt noch etwas, das ich dir anvertrauen muss«, begann ich die Beichte meiner Schwangerschaft einzuleiten. »Bei den Blutuntersuchungen hier im Krankenhaus hat sich herausgestellt, dass ich ein Kind erwarte.«
Gespannt wartete ich auf Aysegüls Reaktion. Ich sah, wie sie erst einmal tief Luft holte, bevor ein Lächeln über ihr Gesicht glitt und sie mich stürmisch in die Arme schloss. Sie schien sich tatsächlich zu freuen. Leider musste ich sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
Ich befreite mich aus ihrer Umarmung und blickte sie ernst an.
»Ich werde dieses Kind nicht bekommen.«
Ungläubig starrte Aysegül mich an. Sie sah aus, als wäre sie nicht sicher, mich richtig verstanden zu haben.
»Ich werde dieses Baby nicht zur Welt bringen«, wiederholte ich mit fester Stimme.
Langsam sank Aysegül zurück auf ihren Stuhl.
»Was soll das heißen?«, fragte sie dumpf.
»Das soll heißen, dass ich einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen werde«, entgegnete ich mit zunehmendem Trotz in der Stimme.
Aysegül seufzte schwer. Sie hatte den Blick von mir abgewandt, als sie ans Fenster trat, um auf die Krankenhausanlage hinunterzuschauen. Eine ganze Weile blieb sie dort stehen, ohne ein Wort zu sagen. Als sie erneut an mein Bett trat, schien sie sich wieder gefangen zu haben.
»Du bist also schwanger!«, stellte sie noch einmal sachlich fest. »Weißt du auch, in welchem Monat du bist?«
Darüber hatte ich mir bisher noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Mir war vollkommen schleierhaft, wie weit meine Schwangerschaft schon fortgeschritten war. Es spielte auch keine Rolle für mich, da ich das Baby ja sowieso nicht zur Welt bringen wollte.
Als ich Aysegül meine Gedanken mitteilte, brach sie in nervöses Gelächter aus.
»Katja, manchmal kommst du mir vor, als wärst du wirklich nicht von dieser Welt!«, schalt sie mich. »Du kannst eine Abtreibung nur innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen durchführen lassen! Vorher brauchst du noch einen Arzt, der dir die Notwendigkeit des Abbruchs bestätigt, und du musst zu pro familia oder einer ähnlichen Einrichtung gehen und dir einen Beratungsschein ausstellen lassen. Zwischen der Beratung und dem Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen.«
Aysegül kannte sich erstaunlich gut aus. Ich selbst hatte von all diesen Dingen nicht die geringste Ahnung. Ich hatte schon die Frage auf den Lippen, ob sie denn auch wisse, wo solche Eingriffe vorgenommen werden könnten, als die Tür aufging und Mahmud im Zimmer stand. Schnell warf ich Aysegül einen verschwörerischen Blick zu, der ihr bedeuten sollte, ihm gegenüber mit keinem Wort meinen Zustand zu erwähnen.
Mahmud tat wie immer so, als wäre
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