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Gefangen

Gefangen

Titel: Gefangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Lim
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lassen. Und vor dem Motocrosszwerg, da hatte sie diesen bescheuerten Bergsteigertyp mit Pferdeschwanz, Seth hieß er, aber der ist dann weggezogen. Brauch wohl nicht zu sagen, dass ich mit dem auch nichts zu tun haben wollte. Und dann war da noch so ein Chor-Arsch aus Port Marie, der sie zu einem Date einladen wollte, kurz bevor sie verschwunden ist, aber sie hat ihm gesagt, das mit Richard sei was Ernstes. Kannst Du dir das vorstellen? Also ehrlich! Sie meinte, deswegen könnten sie höchstens Freunde sein. Frag ihn, wenn du willst. Er singt in dem blöden Mahler-Konzert mit. Er ist sogar ‚Solist‘, so wie du.“
    Die Worte „Mahler“ und „Solist“ spuckt sie so angewidert aus, als handle es sich um etwas unsagbar Schmutziges, für das man in den Knast kommen kann. Jeder andere wäre jetzt sauer. Aber an mir prallen ihre Gemeinheiten ab, weil sie mich auf eine Spur gebracht hat, von der Ryan noch nichts weiß.
    Die Info über den Bergsteigerfreak Seth stimmt mit den Fotos überein, die Lauren in die untere rechte Ecke ihres Spiegels geklemmt hat: Aufnahmen, die sie mit einem unglaublich langen, dünnen Outdoor-Typ zeigen. Er hat einen riesigen Adamsapfel, einen buschigen Pferdeschwanz und rötliche Bartstoppeln, und er grinst freundlich in die Kamera. Ich muss also nur nach dem „Chor-Arsch“ Ausschau halten, einem dunkelhaarigen Typ mit Mondgesicht und Brille, der eine der Solo-Partien im Mahler-Konzert singt und aus Port Marie stammt. Einfacher geht’s nicht.
    Vielleicht kann er uns einen Hinweis geben. Oder er ist sogar selbst in die Sache verwickelt und hat die Polizei an der Nase herumgeführt.
    „Okay, danke, jetzt weiß ich Bescheid“, sage ich leichthin, während ich auf einen freien Platz am Fenster schlüpfe. „Und vergiss nicht, Ryan anzurufen! Ihr habt ’ne Menge zu bereden, darauf möchte ich wetten.“
    Brenda klappt mit einem selbstzufriedenen Lächeln ihr Lehrbuch auf. „Vielleicht bist du ja doch nicht so ’ne Niete, wie ich dachte“, erwidert sie freundlich.
    Es gibt einen Gott, denn in der Nachmittagsprobe für das Mahler-Konzert zieht Masson alle Solosänger von ihren üblichen Chorpositionen ab und lässt sie getrennt voneinander sitzen.
    „Sopran und Alt, ihr tauscht die Plätze, und Spencer, Jonathan und Harley, ihr macht bei den Männern dasselbe.“
    Schallendes Gelächter ist die Antwort, und die Jungen johlen vor Vergnügen, als sich drei Solisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, mit knallroten Köpfen im Saal verteilen. Die Armen müssen durch ein Meer von blitzschnell ausgestreckten Beinen, zusammengepressten Knien und verschränkten Armen waten.
    Ich picke sofort den dunkelhaarigen Jungen von Laurens Foto heraus. Er ist mittelgroß, ein Typ wie aus dem Versandkatalog: braver Seitenscheitel, runde Brille, marineblauer Blazer und Poloshirt, dazu steingraue Mokassins. Das ideale Mobbingopfer, einer von der Sorte, die mindestens einmal am Tag mit dem Kopf im Klo landet, das absolute Kontrastprogramm zu Richard Coates. Wenn Lauren tatsächlich auf ausgeflippte Typen stand, hatte der hier null Chancen.
    Ich stehe auch auf und peile meinen Platz in der hinteren Altreihe an. Ich muss so nahe wie möglich an den Blazertyp rankommen. Allerdings trennt uns eine ganze Wand aus kichernden Bässen. Ein paar Mädchen machen mir mit betonter Gleichgültigkeit Platz. Tiffany Lazer sitzt schräg gegenüber unter den Altstimmen und kocht vor Wut, weil sie bisher noch keine Gelegenheit hatte, mir den spotlightus interruptus heimzuzahlen.
    Während M r Masson verschwindet, um die alte Musikanlage einzuschalten, die uns als Sinfonie-Orchester-Ersatz dient, hebt Paul Stenborg lässig seine schöne Hand und ruft freundlich: „Lassen Sie die Solisten aufstehen, Gerard, der restliche Chor kann sitzen bleiben, okay? Nur um den Schwierigkeitsgrad auszuloten. Das wird die äh m … die Spreu vom Weizen trennen.“
    „Eine ausgezeichnete Idee, Paul“, stimmt M r Masson strahlend zu und klatscht in die Hände, während wir sieben aufstehen, nicht alle mit der gleichen Begeisterung. Wi r – das sind vier Mädchen und drei Jungen.
    Tiffany, die als einzige Solistin einen Platz in der ersten Reihe einnimmt, wirft ihre glänzende, blonde Haarmähne über die Schulter und grinst erwartungsvoll. Mir gönnt sie einen siegessicheren Blick, der die wahre Carmen in Angst und Schrecken versetzen soll. Aber ich zwinge Carmen, ein strahlendes Tausend-Watt-Lächeln aufzusetzen, das mehr einem

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