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Gefangen

Gefangen

Titel: Gefangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Lim
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r … Daley. Es war eine lang e … äh m … Fahrt.“
    Sie ahnen nicht, wie lange. Wie ein ganzes Leben, ein ganzes Weltalter.
    Meine Stimme hört sich eingerostet an, schleppend. Betonungen an Stellen, wo gar keine hingehören. Es ist nicht die weiche, schmeichelnde Stimme eines jungen Mädchens, das hier als Sängerin auftreten soll. In keiner Weise. Ich beobachte die Daleys beklommen, gefasst darauf, dass sie jeden Moment das Einzige im Zimmer entdecken, das nicht hierhergehört: mich. Aber meine Gasteltern merken nichts. Taktvoll ziehen sie sich zurück und murmeln immer noch herzliche Willkommensworte im Hinausgehen.
    Wenigstens muss ich diesmal keine Angst davor haben, am nächsten Tag aufzuwachen. Wenn ich bei Lucy morgens die Augen geöffnet habe, habe ich mich weit weggewünscht, wollte jemand anderer sein, an einem anderen Ort, so sehr, dass es wehtat. Solange ich mich nicht wieder von meinen Gasteltern berühren lasse, könnte es hier ganz gut laufen. Endlich kann ich aufatmen.
    Ich wandere ziellos in meinem Schlafzimmer und dann im Badezimmer umher und frage mich, was hinter den geschlossenen Türen im Flur vorgeht, diesen Türen, die alle weiß gestrichen sind und völlig gleich aussehen.
    Als ich aus der Dusche komme, betrachte ich mich in dem riesigen Spiegel, der die ganze Wand einnimmt. Nach den vollbusigen, pickelübersäten Mädchen im Bus zu urteilen, dürfte Carmen im letzten Highschooljahr sein. Dabei sieht sie höchstens wie dreizehn aus. Sie hat schmale Schultern, keine nennenswerten Kurven und stockdünne Arme und Beine. Größe weit unter Durchschnitt. Ihre wilde Lockenmähne ist fast zu dick, zu schwer für ihren zerbrechlichen Körper. Carmens Schuppenflechte ist so schlimm, dass ihr nackter Körper leprös und fleckig aussieht. Also keine Bikiniträgerin. Ich kann mir vorstellen, dass sie mit der herrschsüchtigen Blonden im Bus befreundet ist, von der sie aber nur geduldet wird, weil sie ihr nicht gefährlich werden kann, also keinerlei Konkurrenz darstellt. Weder was ihr Aussehen noch was ihr Durchsetzungsvermögen angeht.
    Eingeschrieben in Carmens unscheinbares Spiegelbild sehe ich meine eigene schwebende Silhouette, den Geist in der Maschine. Ein gruseliges Gefühl, in einer Fremden eingesperrt zu sein ohne den geringsten Kontakt zu ihr.
    „Hi, Carmen“, sage ich leise. „Hoffentlich stört’s dich nicht, dass ich für eine Weile deine Seele kidnappen muss.“
    Ich höre nichts, spüre nichts: Gut so.
    „Souljacking“, das ist mein Kürzel für diese Situation, die ich selbst nicht verstehe. Ob es mir passt oder nicht: All die Mädchen, die ich bewohne, sind gewissermaßen meine Geiseln. Ich kann ihnen zu ihrem Glück verhelfen, kann sie aber auch zerstören, wenn ich will. Die meiste Zeit stehe ich allein am Ruder. Es liegt ganz an mir, wie ich die Karten ausspiele, auch wenn das unfair klingen mag. Aber ich trete behutsam auf. Nur am Anfang meiner Reise, als ich vor Wut, Schmerz, Verzweiflung und nackter Angst ganz verrückt war, bin ich wohl weniger nett gewesen.
    Ich bin wieder in Laurens Zimmer, in ein weißes Handtuch gehüllt, als ich Schritte auf der Treppe höre, schwere, polternde Tritte. Ich höre Mr s Daley rufen: „Klopf um Himmels willen an, bevor du reingehst, Ryan!“ Dann kracht die Tür auf und ein junger Gott steht vor mir.
    Carmens Herz fängt an zu rasen, als mich der Schock des Wiedererkennens trifft, ganz tief in meinem Inneren, obwohl ich schwören könnte, dass weder Carmen noch ich diesen Jungen je zuvor gesehen haben. Und doch ist er mir so vertraut, dass ich fast die Hand hebe, um ihm zur Begrüßung über die Wange zu streichen. Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Er könnte Lucs Bruder in der wirklichen Welt sein, so sehr ähnelt er ihm in seiner lässigen Anmut, seiner hochgewachsenen Gestalt, seiner wilden Schönheit. Und einen Augenblick frage ich mich, ob er tatsächlich Luc ist, der irgendwie einen Weg aus meinen Träumen herausgefunden hat wie ein fleischgewordenes Omen.
    Und doch ist alles dunkel an dem Jungen, der vor mir aufragt: Haare, Augen, Gesichtsausdruck; er ist das Negativ zu Lucs goldenem Positiv. Sie sind wie Nacht und Tag.
    Nicht mit einem Mitglied der Gastfamilie schlafen.
    Ich lächle unwillkürlich, als mir die Worte wieder einfallen. In diesem Fall wäre das wahrhaftig nichts, wozu man sich überwinden müsste. Wie groß mag er sein? Eins neunzig vielleicht? Und gebaut wie ein Football-Engel.
    Genau mein Typ ,

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