Gefangene deiner Dunkelheit
Sicherheit, wo ich wieder atmen kann.« Sie wollte mit ihm allein sein, ihn berühren und jeden Zentimeter seines Körpers untersuchen, um sich zu vergewissern, dass er nicht verletzt war.
»Also, eigentlich hätten wir ja ein paar wichtige Dinge zu besprechen«, versuchte Riordan es wieder, obwohl er wusste, dass es sinnlos war. Denn der große, gefährliche Manolito war wie Wachs in den Händen seiner Gefährtin. »Du weißt schon, Dinge wie die Wölfin. Oder das verseuchte Blut. Und was in der Schattenwelt geschehen ist.«
Manolito hob MaryAnn auf die Arme und ignorierte seinen jüngeren Bruder. »Ich kenne einen Ort, der dir gefallen wird.«
Riordan verdrehte die Augen. »Na, ich schätze, dann gehe ich wohl besser und lasse euch allein.« Er grinste noch breiter, als weder Manolito noch MaryAnn ihn ansahen. »Ich kann mich heute Nacht um Solange und Jasmine kümmern, falls ihr zwei – ihr wisst schon – irgendwo allein sein wollt.« Nicht einmal dafür hatten sie ein Wort des Dankes übrig. Riordan schüttelte den Kopf und verflüchtigte sich. Heute Abend wäre es sinnlos, ihnen irgendetwas von Bedeutung entlocken zu wollen.
MaryAnn schloss die Augen, legte ihren Kopf an Manolitos Brust und wandte ihr Gesicht dem nächtlich dunklen Himmel zu. Vielleicht würde sie sich nie daran gewöhnen, durch die Luft zu fliegen, doch solange er sie fest umfangen hielt, konnte sie es genießen, ihm so nahe zu sein. Wind und Nebel kühlten ihr Gesicht, und sie fühlte sich sicher, als Manolito mit ihr über das Blätterdach des Dschungels zu seinem ihr noch unbekannten Ziel flog.
Manolito brauchte nicht lange, um den Eingang zu der unterirdischen Höhle zu finden, die er Jahre zuvor entdeckt hatte. Die Insel hatte nur zwei Abschnitte, wo das Terrain ein wenig unebener und hügeliger war, und diese Hügel waren dicht bewaldet. Ein Wasserfall stürzte in einen Teich, der einen Wasserlauf speiste. Dieser Wasserlauf mündete in den Fluss, von dem die Insel umgeben war, und gewann auf seinem Weg immer mehr an Kraft, bis das Wasser weiß schäumend über Steine und kleinere Felsen rauschte, bevor es sich mit dem sehr viel größeren Fluss vereinte.
MaryAnn sah sich um, als Manolito sie auf die Beine stellte. »Atemberaubend«, sagte sie. Pflanzen mit Blüten in allen möglichen Farben wanden sich an den Baumstämmen hinauf, und obwohl das Rauschen des Wassers die wilde Schönheit dieses Ortes noch unterstrich, schien er doch wie ein schützender Kokon zu sein, wo sie von niemandem gestört werden würden.
Manolito machte eine Bewegung zu dem Wasserfall hinüber, und die Kaskade teilte sich, sodass ein Felsvorsprung dahinter zu erkennen war. Manolito hob MaryAnn wieder auf und sprang mit ihr durch den Sprühnebel des Wasserfalls zur anderen Seite hinüber, wo er sie behutsam absetzte. »Das war eine unglaubliche Entdeckung.«
»Es ist wirklich wunderschön hier«, stimmte sie ihm zu und versuchte, ihr leises Unbehagen zu verdrängen, als sie sich nach Insekten, Fledermäusen und anderem Getier umschaute. »Gibt es in Höhlen nicht unheimlich viele Insektenarten und anderes Ungeziefer?«, fragte sie mit einem nervösen Unterton in ihrer Stimme.
Manolito lachte. »Du hast mit einem Vampir gekämpft, Mary-Ann.«
»Ja, schon, aber ich glaube nicht, dass die Wölfin in mir hervorkommt, wenn ich irgendetwas krabbeln sehe – egal, wie sehr ich mich auch davor fürchte.«
Er lachte. »Da wirst du nicht ganz unrecht haben.«
Er streckte die Hand nach etwas aus, das wie ein Spalt im Fels aussah, und sogleich erhellte Licht den schmalen Tunnel, der dahinter lag. Manolito trat zurück, damit MaryAnn die Wände des Tunnels sehen konnte, der tief unter den Hügel führte. Pechfackeln warfen tanzende Schatten auf den Weg und beleuchteten die Zeichnungen an den Felswänden.
Manolito bedeutete ihr, voranzugehen. Als sie zögerte, nahm er ihre Hand, zog sie an sich und küsste ihren Nacken. »Der Wölfin wird es hier gefallen.«
MaryAnn entspannte sich in seinen Armen und legte den Kopf zurück, um zu ihm aufzuschauen. »Ihr bestimmt, aber ich hatte eigentlich mehr an ein Fünf-Sterne-Hotel gedacht. Ist das wirklich zu viel verlangt? Komm schon, Manolito, du willst doch nicht mit mir in eine Höhle? Sehe ich etwa aus wie eine Frau, die dunkle Höhlen erforscht, in denen sich alles mögliche Getier versammelt?«
Sie hatte vergessen, die Fledermäuse zu erwähnen, und vielleicht war sie ein bisschen zimperlich, doch eine Höhle ... ?
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