Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
Tod. An allem, was passiert ist … sie denkt, sie hätte es nie so weit kommen lassen dürfen.«
»Völlig richtig«, rief April. »Und meine Wunde ist auch sehr tief.«
»Könntest du doch nur einmal in Ruhe mit ihr reden, ein einziges Mal.«
»Nein, Grandpa«, stieß April aufgebracht hervor. »Ich kann nicht. Ich habe mir alles angehört. Ihre Ausreden, ihre Lügen. Ich werde nicht wieder zurückgehen. Vielleicht kann ich für ein paar Tage zu Caro, bis ich mir eine eigene Wohnung …«
»Unsinn!«, unterbrach Thomas scharf. »Du wirst bei mir leben. Dein Zimmer ist immer für dich bereit. Wir sind eine Familie und kümmern uns umeinander.«
»Ich wünschte, es wäre so.«
»Wie meinst du das?«
»Du hast sie gedeckt, Grandpa. Als sie behauptet hat, sie sei in der Nacht, als mein Vater starb, bei dir gewesen, hast du ihr ein Alibi gegeben.«
»Sie war auch bei mir.«
»Aber du hast die Polizei – und mich – glauben lassen, sie sei zur Tatzeit an einem Ort gewesen, wo sie in Wahrheit nicht war.«
»Ich weiß, das war ein Fehler, aber als deine Mutter mich gebeten hat, diese Aussage zu Protokoll zu geben, dachte ich, sie hätte gute Gründe dafür. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass sie etwas mit seinem Tod zu tun haben könnte. Sie hat ihn geliebt – zu sehr, fürchte ich.«
»Dann hatte sie aber eine merkwürdige Art, es zu zeigen.«
Thomas stand auf und trat ans Fenster. »Ich sage ja nur, dass wir alle Fehler machen, Prinzessin. Ich wünschte, ich könnte von mir behaupten, ein Heiliger zu sein, aber das wäre eine Lüge.«
»Hast du Oma jemals betrogen?«
Er drehte sich zu ihr um. »Nein, das nicht, aber auch ich habe schlimme Fehler begangen. Ich war nie für meine Kinder da, deshalb haben sie sich mir entfremdet. Ich bereue vieles. Du solltest nie etwas bereuen, das du in deinem Leben getan hast, April. Lebe im Hier und Jetzt, denn du weißt nie, was dich hinter der nächsten Ecke erwartet.«
April verzog das Gesicht. »Das brauchst du mir nicht zu erzählen, Grandpa.«
Siebenunddreißigstes Kapitel
A ls April am nächsten Morgen aufwachte, saß Silvia an ihrem Bett. Sie fuhr hoch, zog die Decke um sich und drückte den Rufknopf für die Schwester.
Silvia berührte Aprils Hand. »Nicht, Schatz. Bitte. Ich werde nicht lange bleiben.«
April ließ sich in die Kissen zurücksinken und starrte ihre Mutter finster an. »Was willst du?«
»Dein Großvater hat mir erzählt, dass du hier bist. Ich wollte nur sehen, ob es dir auch gut geht.«
»Dafür ist es ein bisschen spät, denkst du nicht auch?«
Silvia seufzte. »Eines Tages wirst du mit mir reden müssen.«
»Ach ja?«
»Schatz, ich weiß ja, dass du durcheinander bist, aber …«
»Durcheinander? So siehst du das also? Ich bin stocksauer! Nein, stocksauer trifft es nicht einmal annähernd. All die Jahre habe ich zugesehen, wie du Dad wegen jeder Kleinigkeit das Leben schwer gemacht hast, wie du ihn angeschnauzt und alles ins Lächerliche gezogen hast, was er gesagt und getan hat, und jetzt erfahre ich den Grund dafür. Du hattest eine Affäre. Mit einem Mann, der versucht hat, mich umzubringen. Ich weiß nicht, wie du damit leben kannst!«
»So einfach war das alles nicht, April. Ich bin nicht die Einzige, die ihren Anteil daran hatte«, sagte Silvia. »Eine Ehe ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Eines Tages, wenn du etwas älter bist, wirst du es verstehen.«
»Hör auf, so herablassend mit mir zu reden!«, herrschte April sie an. »Ich mag noch nicht erwachsen sein, und vielleicht ist mein Gehirn noch nicht vollständig entwickelt, aber eines habe selbst ich kapiert: Pass auf deine Finger auf. Aber nicht mal das hast du hingekriegt, stimmt’s?«
»Ich bin immer noch deine Mutter, April!«
»Nein!«, schrie sie. »Das bist du nicht! Eine Mutter beschützt ihr Kind, kümmert sich um es und unterstützt es. Du solltest mir deine Zuneigung und deine Liebe schenken. Aber wann hast du das jemals getan?«
Silvia zog ein Taschentuch heraus und begann zu schluchzen. »Wenn du nur wüsstest …«
»Ach, erspar mir deine Krokodilstränen. Ich habe deine ewigen Lügen satt. Wieso kannst du mir nicht einfach in die Augen sehen und mir die Wahrheit sagen? Du und Sheldon wart die ganze Zeit hinter Dads Rücken zusammen. Die Tränen, die du jetzt vergießt, gelten ihm, oder etwa nicht?«
Schweigend stand Silvia auf und strich ihren Rock glatt.
»Willst du es nicht mal abstreiten?«, fragte April niedergeschlagen.
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