Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
einfach an.«
»Ist es doch auch. Ihr müsst das Liber Albus finden, den Trank brauen, und schon kann er anderen wieder das Blut aussaugen.«
April schnalzte mit der Zunge.
»Auch nicht gerade ideal.«
»Stimmt, aber auf diese Weise hast du wenigstens eine Chance, den Vampir-Regenten zu finden und die Sache rückgängig zu machen. Wenn Gabriel vorher stirbt, stehst du mit leeren Händen da. Eigentlich sogar mit weniger als nichts, weil sie sich auf deine Fährte setzen werden.«
»Aber wir haben in der Bibliothek der Osbournes nichts gefunden. Und ein Schrank war leer – es sah so aus, als wären ein paar Bücher entfernt worden.«
»Das könnten genauso gut ihre Harry-Potter -Schmuckausgaben gewesen sein. Aber nur weil du das Liber Albus nicht gleich am allerersten Ort gefunden hast, heißt das ja nicht, dass du es nicht doch noch irgendwo aufstöbern kannst.«
»Wahrscheinlich hast du recht.«
»Konzentrier dich einfach auf das, was im Moment am wichtigsten ist. Vergiss den Mörder deines Vaters erst einmal. Im Augenblick kann es nur darum gehen, Gabriels Leben zu retten.«
»Aber wie , Fee?«
»Du musst weitersuchen – so schnell wie möglich. Mag sein, dass Gabriel sich manchmal wie ein Idiot aufführt, aber er hat recht – das Ganze ist kein Spiel. Ihr schwebt beide in Lebensgefahr.«
»Herzlichen Dank, dass du mich noch mal daran erinnerst«, sagte April sarkastisch.
»Tja, du kennst ja das Sprichwort: Leb schnell, stirb jung und hinterlass eine schöne Leiche.«
April betrachtete ihr Gesicht in der Fensterscheibe: Sie wirkte ausgezehrt, und ihre Augen lagen tief in den Höhlen.
»Das mit der Leiche macht mir am meisten Sorgen«, erwiderte sie.
Fünftes Kapitel
D er frühmorgendliche Nebel hing noch in den Bäumen, als April in die kleine Straße einbog. Halb acht , dachte sie. Und noch dazu am Morgen nach einer Party. Ich kann ja nicht mehr ganz dicht sein . Tatsächlich war sie bereits seit Stunden wach, hatte tausend Fragen und Probleme im Kopf; vor allem hatte sie sich natürlich gefragt, wie sie Gabriel helfen konnte. Immer wieder musste sie daran denken, wie Gabriel zusammengebrochen war, wie er leblos auf dem Kies gelegen hatte. Einen Augenblick lang hatte ihr Herz ausgesetzt; sie hatte wirklich geglaubt, dass er sterben würde. Und er wird auch sterben , rief sie sich in Erinnerung. Und ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Wenigstens hatte sie ihr Vertrauen in ihre Beziehung zurückgewonnen, nachdem er das L-Wort ausgesprochen und sie in den Armen gehalten hatte. Es trieb sie zwar immer noch in den Irrsinn, dass sie Distanz halten mussten, aber sie hatte beschlossen, ihm zu vertrauen. Ja, sie musste daran glauben, dass sie das Richtige taten, und sich an ihren Plan halten: das Buch zu finden, das Elixier zu mixen und Gabriels Leben zu retten. Dann konnten sie sich immer noch darüber unterhalten, was weiter passieren sollte. Denn die gestrige Party hatte eines klar bewiesen – ohne Gabriel würde sie vor dem Nichts stehen.
Und das war auch der Grund, warum sie zu Miss Holdens Haus marschierte, das sich in einer Gasse am Rand des Viertels befand. Es handelte sich um ein kleines, von Efeu umranktes Landhaus mit Bogenfenstern, einem reizenden englischen Garten, der sogar im Winter hübsch und gepflegt aussah, mit akkurat getrimmten Kastenhecken und glänzend grünen Büschen. Es erinnerte April an das Knusperhäuschen aus dem Hänsel-und-Gretel-Märchenbuch, das sie als Kind besessen hatte. Schmerzlich dachte sie daran zurück, wie ihr Dad ihr so oft daraus vorgelesen hatte. Sie stand auf dem Gehsteig und presste die Hand an die Brust. In letzter Zeit passierte es immer öfter – sobald sie an ihren Dad denken musste, brach sie in Tränen aus und hätte sich am liebsten vor den nächsten Zug geworfen. Während der ersten Wochen nach seinem Tod war sie eher wie betäubt gewesen, doch nun schien sie den Schock überwunden zu haben, und sein Verlust schmerzte sie mehr als je zuvor. Und eigentlich wollte sie gar nicht, dass der Schmerz verflog, da es bedeutet hätte, ihn endgültig loslassen zu müssen.
Versuch dich an die schönen Dinge zu erinnern, sagte sie sich, an all die tollen Sachen, die du mit ihm erlebt hast . Sie atmete tief ein und aus. Erinnere dich an die Geschichten, die er dir erzählt hat.
Sie wusste noch, wie er die Geschichten ausgeschmückt hatte. Urplötzlich waren Figuren aus anderen Märchen aufgetaucht, wenn er ihr vorgelesen hatte. »Aber das
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