Gefangene der Dunkelheit
ist meine andere Aufgabe«, gab Tristan zu. »Ich muss herausfinden, ob sie es ist.« Er dachte erneut an das, was Andrew gesagt hatte, dass Siobhan Zeit im privaten Gespräch mit Callard verbracht hatte. »Ich habe noch viel zu tun, Bruder«, sagte er. »Aber wenn ich fertig bin, werde ich mein Wort halten.« Er nahm die Zügel. »Wir werden Euren Kelch finden.«
Gaston stand im Gutshaus am Fenster der Gemächer seines Herrn und beobachtete, wie Tristan DuMaine und sein Freund, der irische Herzog, durch die Tore hinausritten. »Ich kann nicht glauben, dass er lebt«, sagte er erneut und schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn gesehen, Mylord. Kein Mensch hätte solche Prügel überleben können.«
»Und doch hat er sie anscheinend überlebt.« Callard ruhte behaglich vor dem Kamin, und das leinene Taschentuch einer Lady baumelte von seiner Hand. Gaston hatte ihn selten in so guter Stimmung erlebt.
»Es scheint so«, stimmte er ihm zu. »Und Lady Siobhan lief zu ihm, als wäre er ihre lange verlorene Liebe.«
»Vielleicht ist er das.« Der Baron blickte ins Feuer, und das seltsame neue Lächeln, das er angenommen hatte, umspielte leicht seine Mundwinkel. »Sie weiß, was er ist«, sann er laut nach. »Die Male an ihrer Kehle … er hat sich an ihr genährt.«
»Mylord?«, fragte Gaston verwirrt.
»Und doch läuft sie zu ihm.« Er hob das Taschentuch an sein Gesicht und atmete tief ein. »Sie hat mein Blut, Gaston.«
»Mylord«, begann Gaston erneut, und seine Kopfhaut begann zu kribbeln. »Eure Worte ergeben keinen Sinn.«
»Nein?« Er schaute auf und begegnete sanft seinem Blick. »Tatsächlich, Gaston, fällt es mir immer schwerer, mich daran zu erinnern, wer ich bin.« Er wand das Taschentuch um seine Finger und verzog nachdenklich die Stirn. »Ich bin körperlich und geistig stärker, aber ich beginne mich zu verlieren. Euer Baron … ich vergesse, wo er endet und wo ich anfange.«
Er ist verrückt, dachte Gaston und fühlte sich elend. »Ihr seid der Baron, Mylord.«
»Natürlich bin ich das.« Er runzelte die Stirn. »Merlins Blut … hier. Es muss einen Grund dafür geben. Es ist natürlich zu verwässert – das Mädchen ist in Wahrheit nichts. Die andere ist der Schlüssel. Ihr Blut ist rein.« Er blickte erneut auf, als erwartete er, dass Gaston jemand anderes wäre. »Und Simon.« Er lächelte, das Lächeln eines Engels. »Mein Simon.«
»Mylord, was geht Euch durch den Kopf?«, drang Gaston in ihn. »Warum sagt Ihr solche Dinge? Erklärt mir Euren Plan, und ich werde alles tun, was Ihr wollt.«
Der Baron erhob sich aus seinem Sessel. »Enttäusche ich dich, Gaston?«
»Niemals, Mylord.« Er sank vor ihm auf die Knie. »Bin ich nicht loyal?«
»Doch.« Er lächelte. »Es hat den Anschein, dass du es bist.«
»Es hat nicht nur den Anschein, Mylord. Ich schwöre es.« Er griff nach der Hand seines Herrn und küsste sie. »Ich bitte Euch, mir eine Aufgabe zu übertragen.«
Callard strich mit einer väterlichen Geste über sein Haar. »Es gibt etwas, das du für mich tun kannst«, sagte er. »Etwas, das mich wieder stärken wird.«
»Ja«, sagte Gaston, von der Liebe verzückt, die er in den Augen seines Herrn reflektiert sah. »Alles.«
Der Baron kniete sich ebenfalls hin, um ihm in die Augen zu sehen, nahm sein Gesicht in beide Hände, lächelte sein wunderschönes Lächeln und küsste ihn sanft auf beide Wangen. Dann sank sein Kopf zurück, er entblößte die Lippen und offenbarte lange, gebogene, weiße Zähne. »Herr«, flüsterte Gaston entsetzt und vor Angst erstarrt. Dann schlossen sich die Zähne hart um seine Kehle. Er wehrte sich kaum, während sein Lebensblut aus ihm wich und sein Körper kalt wurde. Aber gerade, als er zu sterben schien, gerade, als sich sein Herzschlag extrem verlangsamte, spürte er, wie der Baron ihn aus seiner Umarmung entließ. Eine große, schwarze Wolke stieg um sie beide auf wie Blut, das in Wasser tropft, und hüllte sie ein. Gaston öffnete den Mund zum Schrei, und die Wolke drang jäh in ihn und füllte ihn aus. Sein Bewusstsein rang wie mit einem Dämon, wurde geschlagen und gerissen, bis er nicht mehr wusste, wer er war. Ich sterbe, dachte er. Ich bin verdammt … dann kalte, schwarze Stille.
Lucan Kivar öffnete die Augen und erhob sich in seiner neuen Gestalt. Die Welt war wieder hell und deutlich und sein Zweck klar und stark. Der Geist, der sein Gefolgsmann Gaston gewesen war, war nur noch ein Schatten. Er blickte auf den toten Körper des Barons
Weitere Kostenlose Bücher