Gefangene der Dunkelheit
über den Bergen zur Ruhe kam. Alle seine Kinder wurden vernichtet, bis auf die beiden Söhne, die von einer Sterblichen geboren wurden, bevor er den Kelch berührte. Der jüngere dieser Söhne war Merlin, sterblich, aber mit der Liebe und der Schönheit der Götter gesegnet. Er war es, der seine sterbliche Verwandtschaft durch die Eiswüsten führte, damit sie sich über die Inseln ausbreiten konnten, die sie fanden, und sie die alte Art lehren konnte, um sie zu gegebener Zeit wiederum an deren Kinder weiterzugeben. Es heißt, er sei schließlich in Irland, der fernsten dieser Inseln, gestorben .«
Sie sah den Zauberer erneut an, als wollte sie ihm dazu Gelegenheit geben zu sprechen, aber er schwieg. Sie fuhr fort.
» Der ältere war Orlando. Körperlich missgestaltet und in der Entwicklung gehemmt, besaß er die Weisheit der Götter und Unsterblichkeit. Von seinem Vater weitgehend verabscheut, war er es, der Kivar verriet, um die Verwandtschaft seiner Mutter zu retten. Von seinem Bruder und allen Sterblichen für sein Opfer geliebt, wollte er sich ihnen noch immer nicht auf ihrer Reise anschließen. Er schwor, die Berge zu überqueren und die Bleibe des Verfluchten zu suchen, um eine Möglichkeit zu finden, ihn für immer zu vernichten .«
»Und das habe ich getan«, sagte Orlando schließlich. »Ich habe ihn gesucht und eine Möglichkeit gefunden, ihn zu vernichten.«
»Ja, aber zu welchem Preis?«, fragte Isabel. »Ich war entsetzt, als ich die Geschichte las, aber ich glaubte allmählich, es sei unwichtig, da ich schon immer gewusst hatte, dass Ihr eine Macht jenseits jeglicher sterblicher Zauberer besitzt. Tatsächlich fühlte ich mich in dem Wissen besser, dass Simon Euch zu seinem Schutz bei sich hatte.« Sie öffnete eine weitere Schriftrolle. »Und dann fand ich das.«
»Wartet – wollt Ihr damit sagen, diese Geschichte sei wahr?«, fragte Tristan. »Dass alles, was Ihr gerade vorgelesen habt, wirklich geschehen ist?«
»Ihr seid ein Vampir, Bruder«, sagte Simon tonlos und gleichmütig. »Könnt Ihr es nicht glauben?« Er berührte Isabels Wange. »Was steht dort geschrieben?«
»Die wahre Macht des Kelchs, von dem Orlando so sehr möchte, dass du ihn findest.« Sie las von dem Pergament ab. »Der Kelch wurde im Reich der Götter verborgen, damit er vor allen bis auf jene sicher ist, die seine Geheimnisse kennen und ihn einst in der Tafelrunde gehalten haben. Nur der Kelch kann Kivar vernichten, und nur ein Wesen sterblichen Blutes kann ihn handhaben.« Sie schaute auf. »Ich verstehe das so, dass es kein Vampir sein darf, aber vielleicht irre ich mich auch«, sagte sie bissig, bevor sie weiterlas. »Sollte ein Krieger adliger Herkunft und sterblichen Blutes die Macht des Kelches gegen Kivar führen, würde er vernichtet, und all seine Dämonenbrut müsste in seiner Flamme sterben.« Sie schaute erneut auf. »Seine Dämonenbrut«, wiederholte sie. »Simon, Tristan. Wenn Ihr diesen Kelch findet, Orlando, und ihn gegen Lucan Kivar verwendet, werden sie sterben.«
»Nein«, beharrte Orlando. »Ich schwöre, dass es nicht so ist. Zumindest … glaube ich das nicht.« Er schritt unruhig im Raum auf und ab. »Es gab so vieles zu erinnern, so vieles … Ich habe versucht, alles aufzuschreiben, aber es sind viele Bruchstücke verloren gegangen.« Er lächelte Simon verbittert zu. »Möget Ihr den Fluch der Unsterblichkeit niemals wirklich kennenlernen.«
»Wollt Ihr damit also sagen, dass diese Schriften, die die Herzogin fand, alle Lügen zum Inhalt haben?«, fragte Tristan.
»Nein, sie entsprechen der Wahrheit«, gab der Zauberer zu. »Die wichtigste Wahrheit, die wir hatten – darum lehrte Merlin seine Kinder, sie zu bewahren. Aber es ist nicht die ganze Wahrheit.« Er schaute erneut zu Simon und dann zurück zu Tristan. »Ich kann es nicht ertragen«, murmelte er. »Es war eine so lange Zeit, und ich habe so vieles vergessen, ohne jemals zu erkennen, dass ich es vergaß. Erst als ich die Zeichnung des Kelchs fand, erkannte ich, wie viel ich verloren hatte.« Er wandte sich wieder den Übrigen zu. »Isabel, Ihr habt keine Erwähnung Josephs oder seines Pfahls gefunden, oder?«, fragte er. »Und doch wissen wir, dass der Pfahl Kivar aus seiner sterblichen Gestalt in seine wahre, unsterbliche Gestalt getrieben hat, wenn auch nur für einen Moment. Hätte Simon das Schwert besessen, hätte er ihn damals vielleicht sogar töten können.«
»Wartet«, sagte Tristan. »Jetzt bin ich verwirrt.« Sein
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