Gefangene der Dunkelheit
pragmatischer Kriegergeist hatte diese Geschichte immer wieder geprüft und eine Möglichkeit zu finden versucht zu glauben, dass dieser Zwerg vor ihm unsterblich und der Nachkomme irgendeines üblen Halbgottes war. »Der Kelch ist etwas Positives, weil er diesen Kivar vernichtet, richtig? Warum sollte Kivar ihn dann haben wollen? Man sollte meinen, er sollte sich so weit wie möglich davon entfernen wollen.«
»Er muss ihn nicht vernichten«, erklärte Orlando. »Das ist etwas, das Merlin aus Angst, dass Kivar es finden könnte, niemals in eine Wand gemeißelt hätte. Kivar hat auch viele Dinge vergessen, wahrscheinlich noch mehr als ich. Jedes Mal, wenn er seine Gestalt verändert, verliert er einen Teil von sich selbst. Alles, woran er sich erinnert, ist, dass der Kelch ihm Macht verlieh, bevor er verflucht wurde, dass nicht einmal die Götter ihn angreifen konnten, als er ihn besaß.«
»Er sagte, er könne ihn heilen.« Simon blickte ins Feuer. »Er sagte mir, Ihr würdet Euch irren, dass der Kelch keine Rettung, sondern Heilung bedeute.«
»Und das glaubt er auch«, sagte Orlando. »Und vielleicht ist es für ihn auch so. Wenn er erneut aus dem Kelch trinken würde, könnte der Fluch, der ihn in die Dunkelheit verbannt hat, vielleicht gebrochen werden.«
»Damit er alle Macht eines Vampirs ohne dessen Schwächen besäße«, sagte Tristan.
»Viel mehr als das«, erwiderte Orlando. »Er könnte sich erneuern, so wie er glaubt, dass er bereits hätte erneuert werden sollen. Er wäre ein allmächtiger Gott.« Er schaute zu Isabel zurück. »Da Ihr unmittelbar seine Bekanntschaft gemacht habt, Mylady, könnt Ihr da sagen, dass wir nicht tun sollten, was auch immer wir tun müssen, um ihn aufzuhalten?«
»Aber was genau ist das?«, konterte sie. »Was müssen wir tun? Alles, was wir zu wissen glauben, könnte falsch sein. War das nicht die Bedeutung Eurer Worte? Und alles, was Ihr sagt, könnte eine Lüge sein.«
»Sind wir sicher, dass Kivar noch lebt?«, fragte Tristan, während Simon einen Arm um seine Liebste legte.
»Leider ja«, antwortete Simon. »Sein Geist ist mir entkommen, als ich ihm das letzte Mal begegnet bin. Und es gibt Beweise dafür, dass er Euch gefolgt ist. Die Stimme, die Ihr, wie Ihr sagtet, auf Eurem Rückweg hierher gehört habt – das war fast sicher Kivar. Und Ihr sagtet, Ihr hättet von seiner Halle geträumt, von seiner Ankündigung, zu Euch zu kommen.«
»Ja.« Plötzlich kehrte der Traum, den sein Geist beinahe vergessen hatte, mit erschreckender Deutlichkeit zu ihm zurück – die goldene Halle und die große, hagere Gestalt in dem goldenen Gewand, die sich in jemand anderen verwandelte, in einen kleineren, gedrungeneren Mann mit einem ansprechenden, offenen Gesicht. Ein Gesicht, das er irgendwo schon einmal gesehen hatte. »Verdammt«, murrte er. »Callard.« Er stürmte in den Gang hinaus und die Treppe hinab in die Halle. »Siobhan!« Andrew kam mit besorgter Miene auf ihn zu, und er packte seinen Arm. »Wo ist Mylady?«, fragte er drängend.
»In ihrem Zimmer vermutlich«, antwortete der Ritter. »Sie war vom Tod des Barons sehr erschüttert.«
»Der Tod des Barons?«, wiederholte Tristan. »Was …?«
»Verzeiht, Mylord«, sagte Andrew rasch. »Ich vergaß, dass Ihr es noch nicht gehört haben könnt. Der Baron wurde heute Morgen in seinen Räumen tot aufgefunden. Einige seiner Dienstboten gestanden Meister Nicholas, dass sie in seinem Haus eine Seuche hatten, bevor sie hierherkamen, aber tatsächlich sah das nach keiner Krankheit aus, die ich je gesehen habe, denn seine Kehle war herausgerissen.«
Simon war ihm gefolgt. »Habt Ihr dem Baron die Kehle herausgerissen?«, fragte Tristan ihn.
»Nein«, antwortete er mit bitterem Lächeln.
»Mylord?«, fragte Andrew schwach und offensichtlich schockiert.
»Findet meine Tochter«, befahl Tristan. »Bringt sie zum Priester in die Kapelle – bleibt in der Nähe des Kreuzes und umgebt sie mit Rittern. Sollte jemand anderer als der Herzog oder ich in ihre Nähe zu kommen versuchen, dann schneidet ihm den Kopf ab.« Er dachte an Simons Worte darüber, wie Kivar seine Gestalt verändert hatte, um Isabel zu narren. »Und wenn der Herzog oder ich selbst kommen, dann befragt auch uns strikt«, schloss er. »Lasst euch den Namen von Clares Mutter nennen.«
»Wie lautete der Name von Clares Mutter?«, fragte Simon, während sie die Halle verließen.
»Alisande.« Er lief los, sobald er den Hof erreichte. »Ihr Name war
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